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Zwei Jahre für mich, die es in sich hatten. 51 Jahre nix passiert:  Große Klappe, „Bruder Leichtfuß“-Mentalität, unkaputt- und unzerstörbar! Das dünnste Eis des Lebens!

Denn der Hitzprügel Gottes schlug zu, und die Einschläge kamen: massive Herzprobleme, leichter Schlaganfall, doppelter Bandscheibenvorfall, Beziehung und Lebensplanung im Arsch. Wirtschaftskrise und die daraus resultierenden Probleme privater und geschäftlicher Art – kurz: Supergau in einem Alter, wo man eigentlich sagen sollte „Ich hab es hinter mir, mir regnet es nicht mehr in die Suppe!“

Keinerlei Möglichkeit mehr, an irgendeiner Stelle was zu kompensieren, da der Schlauch nicht nur ein Loch hatte! Es waren 100e, und wenn Du eines gestopft hattest, kamen zwei neue hinzu. Keine Möglichkeit mehr, die Batterie in den grünen Bereich zu bringen, weil an allen Stellen Strom abgezogen wurde!

Womit wir beim Thema wären: In der Vergangenheit pflegte ich meine Probleme mit einer „Brise Tal“ zu lösen. Wenn es haarig wurde, das Leder aufgezogen, zwei Stunden durchs „Tal“ geknallt und die Probleme waren weg. „Lorcher Kurzurlaub“. Das Motorrad hat mir geholfen, den Kopf frei zu bekommen und durchzuatmen!

Dann der Kringel: „Langzeiturlaub auf Speed“. Das morgendliche Rollen der Boxentore, der Lärm, wenn die Eimer warm laufen, der erste Turn, wenn Du dir die Müdigkeit aus den Knochen bremst, das Pressatmen, wenn es am Scheitelpunkt eng wird, das Gefühl, wenn das Knie über die Curbs schrubbt, und der Noppenanzug, wenn Du Dich aus der Kurve knallst. Lebensgefühl eines Durchgeknallten? Muss man das haben?

War´s das? Der Doc sacht: „Ja“. Ich sach: „Ja“.

Alternative? Power-Walking mit Vollvisierhelm? Selbstzufriedenes Spazierengehen am Rhein inklusive Abendsonnen-Genuss? Fahrradfahren mit abschließendem Vitamindrink unter Gleichgesinnten? Krankengymnastik und das Gefühl „was geleistet zu haben“? Vernünftig werden?

Doc sacht: „Ja“.

IDM 2008 in Hockenheim. Wie ein Pinscher durchs Fahrerlager gehumpelt – Bandscheibe sei Dank! Menschen in Lederkombis inklusive Kampfspuren, der Geruch von Sprit, Lärm und zufriedene, lachende Gesichter. „Mein Wohnzimmer“?!

Doc sacht: „Nein“. Bandscheibe sacht: „Vergiss es!“

Nach zwei Jahren ohne Motorrad und Rennstrecke stellt sich die Frage des finalen Aufgebens. Eigentlich ist ja alles erlebt und man hat das Ganze mehr oder weniger ohne gesundheitliche Blessuren überstanden. Ganz eigentlich müsste sich über so viel Glück ein breites Grinsen einstellen. Wenn da nur nicht der Kopf wäre…

„Kann ich das? Will ich das? Wie kann ich es rausfinden?“

Ausprobieren!
Der Krankengymnast schüttelt über so viel Unvernunft den Kopf, der Arzt sacht, das geht nicht. Ist mir egal! Scheißegal. Albin angerufen: „Kannst kommen“  Wann? „Wochenende BMW-Testrides!“ *schluck* Ich und BMW? Feuer und Wasser ? „Soll ich trotzdem?“

Es war wie das erste Mal vögeln.
Ich habe nicht gepennt, war aufgeregt und habe mir einen Kopf gemacht. Und ich hatte Angst. Angst vor mir selbst und meiner Entscheidung. Angst, mich auf die Fresse zu legen, und Angst davor, dass es mir keinen Spaß mehr macht. Eins war klar: Sagt der Kopf  „Nein“ ist das Thema Motorrad erledigt! Sind die Schmerzen zu groß, ist das Thema Motorrad erledigt. Ohne wenn und aber!

Rainer „Piranha“ Kopp, einer der liebenswertesten Gaskranken die ich kenne und einer, der alle gesundheitliche Gründe hätte, aufzuhören, hat mir gemailt: „Hau rein, das Leben ist zu kurz um durchzuhängen!“ Hat er recht?

Sonntag 20.09.2009 – Aufschlag am LuK. Lederkombi an und schon dafür Hilfe benötigt. Fahrerbesprechung. Jürgen Fuchs ist auch da – der Mann für die Linie – gut so. Kurz mit Albin unterhalten: „…du gehst in die rote Gruppe, das Potenzial hast Du….“ Ich hab mir beinahe in die Hose gepisst vor Aufregung und Angst.

Aber ich hatte das Gefühl, „daheim“ zu sein. Man möge es vielleicht albern nennen, aber das Gefühl, im Leder an einem Kringel zu stehen, ist das geilste der Welt!

Wenn schon BMW, dann HP2 Sport, alles andere wäre ein Unding! Bei den BMW Testrides ist der erste Turn geführt, und im zweiten, ebenfalls geführten Turn, wechseln die Fahrer hinter dem Instruktor. Ab dem dritten Turn gilt freies Fahren. Normalerweise nix für mich, diesmal danke ich Gott für diese Regelung. Jürgen Fuchs ist Instruktor der roten Gruppe. Wenn es nicht klappt, höre ich vor dem freien Fahren auf. So einfach ist das!

Ich habe mich direkt hinter den Jürgen geklemmt. Es ist sehr seltsam, was sich ein Jürgen Fuchs in einer roten Gruppe unter „einrollen“ vorstellt. Oder war ich einfach nur zu lange „Ohne“?

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Ich will es kurz machen!
Nach der ersten Runde wusste ich, was mir gefehlt hat! Die Schmerzen waren ausgeblendet – oder hatte ich keine? Lediglich beim starken Anbremsen spürte ich leichte Schmerzen auf der linken Seite – drauf geschissen! In der zweiten Runde hinter Jürgen setzten die Rasten auf, und das Knie jagt mir seit über zwei Jahren wieder das Signal „Yeah“ in den Schädel. Jürgen hebt anerkennend den Daumen, und ich lass mich auf die Rennkuh ein. Das waren die geilsten 20 Minuten meines Lebens und die HP2 genau das richtige Motorrad dafür!

Gegen Ende des zweiten Turns musste ich zurückstecken. Kondition und Bandscheibe forderten ihren Tribut. Auch drauf geschissen! Zwei 20-mg-Morphium eingeschmissen und den dritten Turn mit Jürgen „gebucht“. Es fühlte sich alles noch ein bisschen „unrund“ und hastig an, schon weil das Motorrad ungewohnt war und beim starken Bremsen die linke Körperseite zickte. All das spielte keine Rolle! Ich konnte es krachen lassen! Das war meine Party!

Racing is in my blood. It is a part of me, it is a part of my life.“ Vielleicht vermessen, den Held Ayrton Senna zu zitieren, aber genau das ist es!!!

Ich werde nicht aufhören, egal wie unvernünftig es ist und egal, was mir ein Weißkittel sagt. Ich werde es nicht tun, weil ein Turn auf dem Kringel mein Lebensgefühl ausdrückt, weil es meine eigene kleine Welt ist, in der ich zufrieden und ganz bei mir bin.

Ich werde kein Superbike-Weltmeister werden, aber ausgeglichener und zufriedener sein. Ich will wieder unter Leute, die sich an genau diesem „sinnlosen Handeln“ aufgeilen – da müssen jetzt zur Abwechslung mal meine Zimperlein durch.

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Eine Antwort auf Motorrad, Rennstrecke und Ballern als Ganzheitstherapie

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