© motorradrennen.com - Stefan Bradl zählt den Sachsenring nicht unbedingt zu seinen Lieblingskursen

Mit 52 Punkten Vorsprung auf den derzeitigen WM-Zweiten Marc Marquez ist Stefan Bradl zu seinem Heim-Grand-Prix auf dem Sachsenring gereist. Auch wenn die Berg-und Tal-Bahn in Hohenstein-Ernstthal nicht zu seinen Lieblingsstrecken gehört, zählt der Kiefer-Pilot an diesem Wochenende erneut zum Favoritenkreis in der Moto2-Klasse. Im Interview spricht Bradl über das gestiegene öffentliche Interesse an seiner Person, das bevorstehende Heimrennen und das große Ziel, ab 2012 in der MotoGP zu starten.

Frage: „Stefan, du hast vor ein paar Tagen gesagt, dass auch hier auf dem Sachsenring lediglich 25 WM-Punkte zu vergeben sind. Trotzdem ist dieses Rennwochenende schon allein wegen der vielen deutschen Fans etwas ganz Besonderes. Bedeutet das gestiegene öffentliche Interesse an deiner Person auch zusätzlichen Stress für dich?“
Stefan Bradl: „Natürlich ist man durch die vielen Leute – die Journalisten und die Fans – auch ein wenig gestresst. Das ist allerdings auch ein angenehmer Stress, denn den habe ich mir in gewisser Weise durch meine Leistungen ja auch verdient. Da gehört es jetzt einfach dazu, dass man den Journalisten und Fans zur Verfügung steht. Ich versuche, so gut es eben geht für alle da zu sein. Aber wenn ich allen ständig zur Verfügung stehen würde, käme ich gar nicht mehr zum Rennfahren.“

Frage: „Der Sachsenring weist eine ganz besondere Charakteristik auf. Liegt dir dieser enge, winkelige Kurs?“
Bradl: „Wenn’s läuft, dann läuft’s – und wenn nicht, dann nicht. Ich finde, dass es dabei nicht so sehr auf die jeweilige Strecke ankommt. Es ist ja bekannt, dass Assen nicht zu meinen Lieblingsstrecken gehört – und trotzdem stand ich dort auf der Pole-Position. Der Sachsenring ist insofern auch nur ein Kurs, der im MotoGP-Kalender steht. Natürlich ist das hier für mich etwas Besonderes, aber das hängt eher mit den Fans und der Aufmerksamkeit zusammen. Die Strecke an sich, ist für mich aber ganz normal.“

„Man fragt mich immer, welche meine Lieblingsstrecken sind. Da antworte ich immer: Mugello, Brünn und Phillip Island. Der Sachsenring gehört sicherlich nicht dazu, weil es einfach eine sehr winkelige, enge Strecke ist, die dazu noch sehr linkslastig ist. Es ist hier aber auch sehr schön, denn es geht bergauf und bergab. Der Sachsenring ist insofern keine Strecke, die ich besonders mag, aber auch keine, die ich hasse.“

Bradl hat für Statistiken nichts übrig

Frage: Kriegt man denn als Fahrer etwas davon mit, was hier auf den voll besetzten Tribünen rund um die Strecke von den Fans veranstaltet wird?“
Bradl: „Im Rennbetrieb nimmt man eigentlich gar nichts wahr. Man sieht, dass die Ränge voll sind, aber man ist total auf den Asphalt, der vor einem liegt, fokussiert. Man konzentriert sich voll und ganz auf sich selbst. Von der Lautstärke der Fans bekommt man allenfalls in der Auslaufrunde, wenn man auf dem Weg in die Box ist, etwas mit. Dann merkt man, dass etwas los ist – und ich hoffe doch, dass an diesem Wochenende viel los sein wird.“

Frage: „Vor 40 Jahren konnte zuletzt ein deutscher Pilot bei einem WM-Lauf auf dem Sachsenring gewinnen. Kannst du dir vorstellen, was hier bei einem Sieg eines Deutschen los wäre?“
Bradl: „Für Statistiken habe ich ja überhaupt nichts übrig. Keine Ahnung, was dann los wäre – bestimmt eine Menge. Natürlich werde ich versuchen, am Sonntag zu gewinnen, denn deshalb bin ich hier. Aber ich befasse mich jetzt nicht damit, was hier los wäre, sollte ich gewinnen. Erstmal sollten wir das Rennen fahren.“

Frage: „Wie hast du die vergangenen beiden Rennen erlebt? Ist von dem Sturz in Assen etwas hängen geblieben?“
Bradl: „Nein, da ist nichts hängen geblieben. Man hat ja gesehen, dass ich in Mugello dort anknüpfen konnte, wo ich zuvor aufgehört hatte – also mit Top-Platzierungen in den Freien Trainings und im Qualifying. Insofern hat mir der Sturz in Assen nicht geschadet, wenn man mal davon absieht, dass es ein schmerzlicher Nuller war. Dort haben halt schlechte Bedingungen geherrscht und es ist blöd gelaufen. So etwas gehört auch einmal dazu. Ich bin auch nur ein Mensch und habe einen Fehler gemacht.“

Frage: „Welche Rolle spielen die Reifen an diesem Wochenende, für das wechselhafte Bedingungen vorhergesagt sind?“
Bradl: „Es gibt Trockenreifen und es gibt Regenreifen. Je nachdem, wie das Wetter ist, zieht man die entsprechenden Reifen auf. Ich glaube nicht, dass es am Sonntag regnet. Da würde ich jetzt sofort jede Wette abschließen.“

Bradl strebt Zweijahresvertrag für die MotoGP an

Frage: „Dein erklärtes Ziel ist es, zur kommenden Saison in die MotoGP aufzusteigen. Der amtierende Moto2-Champion Toni Elias tut sich allerdings sehr schwer in der ‚Königsklasse‘, obwohl er auf einer Honda unterwegs ist. Andrea Dovizioso meinte kürzlich, dass die Moto2 aufgrund ihrer Leistungsdaten keine adäquate Vorbereitung auf die MotoGP darstellt. Die alte 250er-Klasse sei diesbezüglich viel besser gewesen. Was sagst du zu dieser These?“
Bradl: „Man braucht sicher eine gewisse Zeit, um in der MotoGP Fußfassen zu können. Man kann nicht erwarten, dass man dort schon im ersten Jahr direkt aufs Podium fährt. Die MotoGP ist eine ganz andere Kategorie, in der es viel stärker auf die Technik und die Elektronik ankommt. Ich glaube, dass Elias‘ größtes Problem in seinem geringen Körpergewicht besteht. Ich habe mich diesbezüglich sehr genau informiert. Das ist bei Dani Pedrosa zwar nicht anders, aber Elias hat bei seinem Fahrstil große Probleme damit, durch Gewichtsverlagerung die Reifen auf Betriebstemperatur zu bringen.“

„Was Dovizioso sagt, kann vielleicht stimmen, aber ich finde, dass man das nicht so pauschal in den Raum werfen kann. Es hängt immer davon ab, wie schnell man sich auf einem Motorrad zurechtfindet. Ich werde bestimmt nicht in die MotoGP aufsteigen und dort nur einen Einjahresvertrag machen. Sollte ich dann nicht auf Anhieb den nötigen Erfolg haben, bin ich sofort wieder weg. Deshalb sollte man überlegt an die Sache herangehen und sich ein Jahr Zeit geben.“

„Konkret habe ich mich damit aber noch relativ wenig beschäftigt. Momentan stehen andere Dinge im Vordergrund. Aufzusteigen ist unser Ziel, aber ob es auch realisierbar ist, ist wieder eine ganz andere Frage.“

Konkrete Anfragen von Honda- und Yamaha-Teams

Frage: „Liegen dir konkrete Anfragen vor?“
Bradl: „Ja. Mein Ziel ist es, eine Honda oder eine Yamaha zu fahren. Aufgrund der Rookie-Regel kommen die Werksteams nicht in Frage und wir alle kennen ja die Satellitenteams von Honda und Yamaha [lächelt; Anm. d. Red.].“

Frage: „Bereust du es in diesem Zusammenhang, nicht mehr die Gelegenheit gehabt zu haben, in der 250er-Klasse gestartet zu sein?“
Bradl: „Nun ja, unsere Rundenzeiten zeigen, dass wir auf dem selben Niveau sind wie seinerzeit die 250er. Zudem waren die 250er Zweitakter und wir starten jetzt mit Viertaktern. Klar, im Moment kommt Elias nicht so gut zurecht. Aber Karel Abraham ist zum Beispiel nicht so schlecht unterwegs – und im vergangenen Jahr war Elias ein anderes Kaliber als Abraham. Trotzdem fährt ihm Abraham jetzt um die Ohren. Von daher denke ich, dass das [Doviziosos Vermutung; Anm. d. Red.] nicht einfach so auf alle Fahrer übertragbar ist. Wenn man Elias beim Fahren zuschaut, dann stellt man fest, dass das ein ganz eigenartiger Stil ist.“

Frage: „Warum hat dieser Fahrstil in der Moto2 in der vergangenen Saison so gut funktioniert?“
Bradl: „Ihm hat sicherlich seine Erfahrung geholfen. Warum genau, ist aber schwer zu sagen. Er ist praktisch immer ins Ziel gekommen, hat einige Rennen gewonnen und sich so einen guten Puffer verschafft. Was ihn im vergangenen Jahr so stark gemacht hat, ist mir aber selbst ein Rätsel – vor allem wenn man sieht, wie ’schwach‘ er dieses Jahr ist.“

Text von Lennart Schmid

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