© FGlaenzel - Hinterrad in der Höhe: Marc Marquez beim Anbremsen einer Kurve

© FGlaenzel – Hinterrad in der Höhe: Marc Marquez beim Anbremsen einer Kurve

Nach seinem WM-Titel im Debütjahr fährt Marc Marquez der Konkurrenz in dieser Saison um die Ohren. In Katar forderte Altmeister Valentino Rossi den Youngster heraus und unterlag knapp.

In Le Mans pflügte Marquez nach einer schlechten Startrunde von Rang elf durch das Feld und zeigte seine derzeitige Vormachtstellung. Zuletzt in Mugello kämpfte Jorge Lorenzo wie ein Löwe, konnte seinen spanischen Landsmann aber nicht schlagen. Sechs Siege von der Pole-Position unterstreichen das Talent des Honda-Werksfahrers.

Fahrer wie Rossi und Lorenzo sind ebenfalls mit allen Wassern gewaschen, aber was macht Marquez so anders, dass niemand eine Chance gegen ihn hat? „Ich habe keine Ahnung! Das versuchen wir gerade herauszufinden“, sagt Bradley Smith, der schon in der 125er-Klasse und in der Moto2 gegen Marquez gefahren ist, aber nicht im Ansatz die gleichen Erfolge vorweisen kann. „In Austin war für uns klar zu sehen: Wenn Marc in die erste Kurve hineinbremst, hebt sich das Hinterrad vom Boden.“

„Er hält aber den Winkel und die Front zieht nicht zu. Offensichtlich haben sie eine Balance gefunden, wie sie den richtigen Druck auf dem Vorderrad halten können“, beschreibt Smith eine Besonderheit des Marquez-Fahrstils. In harten Bremszonen ist häufig zu beobachten, dass Marquez nur auf dem Vorderrad fährt. Smith geht aus Fahrersicht ins Detail: „Wenn das Hinterrad in der Luft ist, gibt es keine Motorbremswirkung. Wenn ein Motorrad mit so viel Bremsdruck und einem so spitzen Winkel auf dem Vorderrad fahren und nicht zumachen kann, dann haben wir demgegenüber ein Problem.“

Die Frage ist, wie viel davon macht Marquez aus, wie viel liegt an der Honda? „Es muss zum Teil an Marc liegen, denn Dani (Pedrosa; Anm. d. Red.) hat das gleiche Motorrad. Das Motorrad lässt es zu und Marc ist bereit, damit bis ans Limit zu gehen“, glaubt Smith. „Marc ist bereit, das Motorrad zu 100 Prozent ans Limit zu treiben. Bei Casey (Stoner; Anm. d. Red.) war das genauso. Er ist aber nicht das ganze Rennen hindurch 100 Prozent gefahren, wenn er ohnehin schon Vorsprung hatte.“

„Da ist Marc genau das Gegenteil, denn er fährt von der ersten bis zur letzten Runde am Limit. Deswegen sehen seine Vorsprünge größer aus. Casey fuhr zwei, drei schnelle Runden und tat nur das, was notwendig war, um vorne zu sein. Da war er cleverer und ist nur ein kalkuliertes Risiko eingegangen. Die Honda war schon immer so gut, aber es brauchte jemanden, der dieses Level ausschöpft. Wenn das jemand schafft, dann sehen wir ja jetzt, wie gut dieses Motorrad sein kann.“

Marquez reizt die Limits aus. Es sieht spektakulär, aber auch spielerisch aus. Bisher zahlte sich seine kompromisslose Herangehensweise aus. Könnte dieses hohe Risiko auch einmal böse enden? Smith glaubt das nicht: „Nein, denn ich sehe das schon die ganze Zeit bei ihm, seit der Moto2. 2011 und 2012 ist mir schon aufgefallen, dass sein Vorderrad komplett quer steht, der Kerl aber irgendwie sitzen bleibt. Ich frage mich eher, wie wir unser Motorrad auch so hinkriegen können, dass das möglich ist.“

Rossi passt Fahrstil an
„Mit der Yamaha kannst du nicht den Eindruck erwecken, dass du Probleme hast, denn dann bist du auch automatisch in Problemen, dann liegst du. Ich kenne das selbst aus 2007, von der 125er-Honda: Ich hatte da auch das Hinterrad in der Höhe am Kurveneingang, holte einige Motorradlängen auf, konnte aber auf der Bremse bleiben und wusste immer, dass das Motorrad nicht stürzt. Das ist eine der Honda-Stärken.“

„Oder bei den 250ern, als Aoyama Weltmeister wurde. Der ist auch Positionen gefahren, wo sich alle gefragt haben: Wie geht das denn bitte? Aber das ist ihre Philosophie, schon immer, seit 2006/07. Und jetzt haben sie auch in der MotoGP einen Fahrer, der das umsetzen kann. Das macht er perfekt.“ Die übrigen Fahrer beißen sich bisher an Marquez die Zähne aus und einige wirkten schon frustriert und ratlos.

Dagegen genießt Rossi die Duelle mit dem jungen Star. Der siebenfache MotoGP-Weltmeister hat den Fahrstil von Marquez genau studiert und seinen eigenen Stil angepasst. Auch optisch ist zu erkennen, dass Rossi anders fährt als vor einigen Jahren. „Ja, ich habe viel unter diesem Gesichtspunkt gearbeitet“, bestätigt der Italiener.

„Ich habe über den Winter versucht, meinen Fahrstil zu verändern, denn Marc macht etwas anders. Aber ehrlich gesagt schaue ich mir auch viel von Lorenzo ab, denn die Yamaha musst du ein bisschen anders fahren als die Honda. Ich habe versucht, von Marquez zu lernen, aber auch von Jorge.“ Rossi setzte das in dieser Saison bislang am besten um und ist nach sechs Rennen hinter Marquez Zweiter.

Doohan: Das Selbstvertrauen macht den Unterschied aus
Beeindruckt zeigt sich auch Mick Doohan, der zwischen 1994 und 1998 in der 500er-Klasse auf der Repsol-Honda unschlagbar war. „Er hat keine Angst, das ist sicher. Sein großes Selbstvertrauen hilft ihm. Das war auch eine von Valentinos Stärken, bis zurück zu Wayne Rainey und anderen Leuten vor ihm“, wird der Australier von ‚MotoGP.com‘ zitiert. „Man glaubt daran, dass man davonkommt.“

„Warum stürzen manche Leute bei gleicher Geschwindigkeit, andere nicht? Es ist das Selbstvertrauen und der Glaube, dass man nicht stürzen wird. Sie schaffen es auch immer.“ Trotzdem ist sich auch Doohan sicher, dass Marquez eines der größten Talente aller Zeiten ist. „Es ist aber schon lange her, dass wir jemanden wie Marquez gesehen haben – was er mit dem Motorrad anstellt und nicht stürzt.“

Doohan hat sich in den 1990er-Jahren in den Geschichtsbüchern verewigt und ist einer der erfolgreichsten Fahrer aller Zeiten. Kann Marquez die Geschichtsbücher umschreiben und der absolut erfolgreichste Motorradrennfahrer aller Zeiten werden? „Er ist sicherlich jung genug. Rossi hatte auch einen sehr guten Lauf. Heute gibt es mehr Rennen, aber Glück spielt in diesem Sport eine große Rolle“, meint Doohan. „Marquez hat das Alter, das Talent und die mentale Stärke auf seiner Seite. Solange er Spaß hat, dann könnten die Statistiken alle ihm gehören.“

Text von Gerald Dirnbeck

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