(Motorsport-Total.com) – Ducati-Werkspilot Francesco Bagnaia schien mit seinem Doppelsieg in Motegi (Sprint und Grand Prix) seine Formkrise beendet zu haben. Doch Mandalika schickte den Italiener direkt in die Hölle – ein Ort, aus dem Ducati ihn jetzt bedingungslos retten muss.

Ex-Weltmeister Francesco Bagnaia macht aktuell (wieder) eine Krise durch

Von all den Aussagen, die Marc Marquez vor etwas mehr als einer Woche in Japan als frischgebackener MotoGP-Weltmeister 2025 tätigte, gab es eine, die vielleicht nicht in die Schlagzeilen kam, die aber wahrscheinlich am besten zusammenfasst, was der Spanier in der dunkelsten Phase seiner sportlichen Karriere durchgemacht hat.

„Die Hilfe, die ich erhalten habe, hat es mir ermöglicht, jetzt wieder hier [als Weltmeister] zu sein. Ich bin nicht zu Boden gefallen. Ich war schon unter der Erde. Wenn man auf dem Boden liegt, kann man wieder aufspringen. Aber wenn man darunter liegt, dann braucht man jemanden, der einen herauszieht“, sagte Marquez ebenso eloquent wie dankbar.

Bagnaia hat aktuell noch nicht ganz denselben kritischen Punkt erreicht wie Marquez in den vergangenen Jahren. Aber auch er braucht Hilfe. Und er braucht sie ohne Bedingungen.

„Pecco“ hat den Tiefpunkt erreicht und verdient Unterstützung. Trotz seiner schwierigen Lage bleibt er der bis heute erfolgreichste MotoGP-Pilot in der Geschichte von Ducati und der prominenteste Vertreter der VR46-Akademie von Valentino Rossi.

Angesichts der jüngsten Ereignisse fragt man sich unweigerlich, ob das Ducati-Werksteam in Borgo Panigale und Rossis Ducati-Satellitenteam wirklich alles in ihrer Macht Stehende tun, um den zweimaligen MotoGP-Weltmeister zu retten.

Die Konzentration von Egos innerhalb von Ducati übertrifft die jedes anderen MotoGP-Herstellers. Es wäre in der Tat seltsam, wenn dies nicht der Fall wäre. Schließlich hat Ducati nicht nur die beiden erfolgreichsten Fahrer im Feld unter einem Dach versammelt, sondern seine gesamte Strategie dreht sich um das dominanteste Motorrad, das je gebaut wurde. Und diese Desmosedici trägt in ihrer neuesten Version die unverkennbare Handschrift von Ingenieur Gigi Dall’Igna.

Dall’Igna ist zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten in der MotoGP-Geschichte geworden. Er weiß das und sorgt – subtil oder auch nicht – dafür, dass diejenigen, die das Privileg haben, seinen Prototypen zu fahren, dies ebenfalls wissen.

Die Stimme Dall’Ignas hat in allen relevanten Bereichen der Ducati-Fabrik entscheidendes Gewicht: technisch, sportlich, und sogar politisch. Und in einer Rennserie, in der die Fahrer seit jeher als die wahren Helden im Mittelpunkt stehen, führt diese Dynamik unweigerlich zu Reibungen.

Das war in der Vergangenheit insbesondere bei Andrea Dovizioso der Fall. „Dovi“ ist der einzige, der Marquez in den Jahren 2017 und 2018 ernsthaft im WM-Kampf herausforderte, der sich dann aber von Ducati trennte, als er noch immer deren konkurrenzfähigster Fahrer war.

Dovizioso wurde 2021 durch Bagnaia ersetzt, der mit klarem Kopf und ohne Vorurteile ankam, der sich gemeinsam mit dem Motorrad weiterentwickelte, bis er zweimal Weltmeister wurde (2022 und 2023) und in vier Jahren (2021-2024) bis zum Schluss um den Titel kämpfte.

Jetzt scheint Bagnaia nur noch ein Schatten seiner selbst zu sein. Und Ducati hat es trotz aller Bemühungen bisher nicht geschafft, ihm die Unterstützung zu geben, die er so offensichtlich braucht. Genau hier kommen wieder einmal die Egos ins Spiel.

Ob es nun der psychologische Schlag ist, den Marquez‘ überwältigende Überlegenheit verursacht hat, oder Bagnaias eigene Unfähigkeit, das diesjährige Motorrad so zu fahren, wie er es 2024 getan hat, als er elf Grand-Prix-Siege einfuhr. Die Verwirrung auf allen Seiten ist auffällig. Und eines ist sicher: Das wirft kein gutes Licht auf die Beteiligten.

Hersteller blicken naturgemäß nur nach vorne. Sie geben selten zu, dass die Vorjahresmaschine in manchen Fällen wettbewerbsfähiger sein könnte als die aktuelle. Das ist verständlich, denn sonst müssten sie zugeben, dass sie Zeit und Geld für die Entwicklung des neuen Modells verschwendet haben.

Das scheint der Grund zu sein, warum Ducati alles getan hat, um die Tatsache zu verschleiern, dass Bagnaia beim Misano-Test die GP24 (ausgestattet mit dem Motor der GP25) getestet hat.

Und das gelang ihnen auch so lange, bis VR46-Teamchef Alessio „Uccio“ Salucci am vergangenen Freitag in Mandalika die Katze aus dem Sack ließ. „Am Montag nach Misano hat ‚Pecco‘ unser Motorrad, also Morbidellis Motorrad, ausprobiert“, verriet er. Ducati war außer sich. Teammanager Davide Tardozzi gab öffentlich zu, dass man von dieser Enthüllung „überrascht“ war.

Einige Beobachter glauben, dass sich Rossis langjähriger Vertrauter „Uccio“ einfach verplappert hat. Unsere Kollegen von Motorsport.com Spanien, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network, gehen davon aus, dass Ducati dies nicht so sieht – vielmehr als einen subtilen Akt der Auflehnung, als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Art und Weise, wie Bagnaia vom Werk behandelt wird.

Wenn es sich um einen echten Fehler handelte, würde dies auf zwei Dinge hindeuten: Entweder war Saluccis Ausrutscher eines Mannes in seiner Position unwürdig. Oder aber die Kommunikation mit Ducati ist praktisch nicht existent, was angesichts der akribischen Arbeitsweise des Unternehmens unwahrscheinlich erscheint.

Unabhängig davon, was hinter der Enthüllung steckte, Bagnaia hat sie nicht weitergeholfen. Der Weltmeister von 2022 und 2023 verließ am vergangenen Sonntag in Mandalika erneut einen Grand Prix, ohne mit den Medien zu sprechen – genau wie schon in Misano.

„‚Pecco‘ ist am Boden zerstört. Wenn er [zum Interview] gekommen wäre, hätte er Tränen in den Augen gehabt“, erklärte Tardozzi und weiter: „Er ist ein extrem schneller Fahrer, aber auch sehr sensibel. Im Moment halten wir es für das Beste, ihn in Ruhe zu lassen, ihn arbeiten zu lassen und sich auf Phillip Island vorzubereiten.“

Wenn es jemanden gibt, der Bagnaia wirklich nachempfinden kann, dann ist es der allseits beliebte Ex-Rennfahrer Tardozzi selbst, der an einem Wochenende, das eigentlich voller Konfetti hätte sein sollen, letztlich aber zu einem Albtraum wurde, als Ducati-Sprecher fungierte.

Innerhalb einer Woche ging Ducati von der Feier Titelgewinns eines seiner beiden Fahrer – und der möglichen Wiederauferstehung des anderen nach seinem ersten Doppelsieg der Saison – über zum Trauern um die Verletzung des Champions und zum Miterleben des totalen Zusammenbruchs seines Teamkollegen.

Während Marquez‘ Verletzung einfach Zeit braucht, erfordert Bagnaias Fall echte Hilfe – und zwar von jemandem, der sein eigenes Ego beiseite lassen und aufrichtig dabei helfen kann, einen der größten Stars der MotoGP-Szene wieder aufzubauen.

Nicht zuletzt würde dies Ducati nur noch weiter aufwerten – nämlich nicht nur als Hersteller, der Champions hervorbringen kann, sondern auch als einer, der bereit ist, ihnen beizustehen, wenn sie es am meisten brauchen.

Text von Oriol Puigdemont, Übersetzung: Mario Fritzsche

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