(Motorsport-Total.com) – Der Disput zwischen MotoGP-Weltmeister Jorge Martin und Aprilia scheint sich gelegt zu haben.
inter den Kulissen des Sachsenring-Wochenendes deuten alle Anzeichen darauf hin, dass sich die Wogen geglättet haben und Martin auch 2026 für die italienische Marke an den Start gehen wird.
Das Einschreiten von Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta in Assen beendete Martins Wunsch, sich aus seinem Zweijahresvertrag mit Aprilia zu lösen, um für die kommende Saison bei Honda zu unterschreiben.
Der Machtkampf endete am Assen-Sonntag genau in dem Moment, als Ezpeleta klarstellte, dass weder Dorna noch die Teamvereinigung IRTA einen Fahrer für die Weltmeisterschaft zulassen würden, der sich in einem ungelösten Vertragskonflikt mit einem Team oder Hersteller befindet.
Ezpeletas deutliche Worte entzogen der Strategie des Fahrers und seines Managers Albert Valera jegliche Grundlage und bestätigten die Auffassung von Aprilia: Die Ausstiegsklausel im Vertrag sei unwirksam, da Martin während nahezu der gesamten Gültigkeitsdauer verletzt gewesen ist.
Nach einigen Tagen der Überlegungen und angesichts seines bevorstehenden Comebacks in Brünn in der kommenden Woche, beschloss der Madrilene, auf das zu verzichten, was er als sein vertragliches Recht ansah. Stattdessen will er sich jetzt auf das Sportliche fokussieren.
Martin wird 2026 weiterhin für Aprilia fahren – wie die spanische Tageszeitung AS als Erste vom Sachsenring berichtete. Um zu verstehen, wie es dazu kam, muss man zum 1. Juni 2024 zurückkehren, dem Samstag des Italien-Grand-Prix.
An diesem Tag wurde Martins Management klar, dass Ducati ein mündlich gegebenes Versprechen eine Woche zuvor, ihn ins Werksteam zu befördern, nicht einhalten würde. Ducati entschied sich stattdessen für Marc Marquez.
Man teilte damals in Mugello Martin am Sonntagabend mit, dass er nicht länger berücksichtigt werde. Nach diesem Rückschlag nahm Valera Kontakt zu Honda auf – ein Hersteller, der schon seit Wochen Interesse an der #89 signalisiert hatte – und erhielt eine feste Zusage.
In diesem Moment spielte auch Aleix Espargaro eine Rolle, damals noch der „Kapitän“ von Aprilia. Der Katalane sprach mit Aprilia-CEO Massimo Rivola und riet ihm, die Gelegenheit zu nutzen und Martins Manager ein Angebot zu unterbreiten.
Valera informierte Martin anschließend über das deutlich lukrativere Angebot von Honda, doch der Fahrer befand, dass das japanische Motorrad nicht auf dem Niveau der RS-GP sei. Binnen weniger Stunden wurde eine Einigung mit Aprilia erzielt.
Dennoch ließ Martin vorsorglich eine Klausel in den Vertrag aufnehmen, die ihm einen Ausstieg für 2026 ermöglichen sollte. Theoretisch war sie simpel: Sollte er nach den ersten sechs Saisonrennen nicht in den Top 5 der WM-Wertung sein, könne er frei zu Honda wechseln – und nur zu Honda.
Seit Le Mans ging es rund
Eine Woche vor Ablauf der Frist – beim Grand Prix von Frankreich – informierte Aprilia Martin, dass man dieser Klausel keine Gültigkeit beimesse, da er verletzungsbedingt an keinem der Rennen teilgenommen hatte.
Martin reiste inkognito nach Le Mans, um Aprilia persönlich mitzuteilen, dass er die Klausel aktivieren wolle. Er suchte auch das Gespräch mit Ezpeleta, der ihm bereits zu diesem Zeitpunkt deutlich machte, dass er diese Auslegung nicht akzeptiere.
Ezpeleta vertrat den Standpunkt, dass Martin die volle Vertragslaufzeit von zwei Jahren erfüllen müsse. Alle Beteiligten bemühten sich am Frankreich-Wochenende zunächst, den Konflikt diskret zu behandeln.
Als jedoch Motorsport.com Spanien, eine Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network am 12. Mai exklusiv über die Angelegenheit berichtete, eskalierte die Lage zwischen Martin und Aprilia.
Zehn Tage später, im Vorfeld des Grand Prix von Großbritannien, durchbrach Aprilia das Schweigen mit einem knappen, eindeutigen Statement: Martins Vertrag ist bis Ende 2026 rechtlich bindend.
Außerdem betonte Aprilia in dieser Stellungnahme: „Man erwartet, dass andere Teams keinerlei Angebote an Fahrer mit laufendem Vertrag unterbreiten – ein solches Verhalten wäre zudem rechtswidrig.“
Der Showdown in Assen
Diese Botschaft war klar gegen Honda gerichtet – ein Hersteller, den Rivola in Le Mans bereits persönlich gewarnt hatte. Martins Anwälte versuchten bei Vertragsabschluss festzulegen, dass im Falle eines Konflikts der Internationale Sportgerichtshof (CAS) zuständig sei.
Doch Aprilia setzte durch, dass im Streitfall ausschließlich die Zivilgerichte in Mailand zuständig wären. Als Valera schließlich keinen Ausweg mehr sah, versuchte er beim Assen-Wochenende mit einer öffentlichen Aussage Bewegung in die Sache zu bringen – auch als Zeichen an Honda.
„Jorge ist für 2026 vertragsfrei“, platzierte Valera seine Botschaft am Assen-Samstag in den internationalen Medien. Doch diese Aussage provozierte eine Reaktion von Ezpeleta in der Öffentlichkeit, die Aprilia in ihrer Position bestärkte.
Valera brachte sogar die Möglichkeit ins Spiel, dass sich sein Klient aus dem Vertrag freikaufen könnte – doch die geforderte Ablösesumme war derart hoch, dass sie als untragbar galt. Ab diesem Zeitpunkt war klar: Martin würde vor 2027 keine Honda-Lederkombi tragen.
Aprilia, gestützt vom Mutterkonzern Piaggio, blieb in jedem Schritt konsequent und verfolgte zugleich die Strategie, den amtierenden Weltmeister sportlich vom Projekt zu überzeugen. In diese Richtung ging auch der Testtag am vergangenen Mittwoch in Misano.
Das gesamte Aprilia-Management war anwesend. „Wir sind immer davon ausgegangen, dass er ein Aprilia-Fahrer ist. Wir sind sehr positiv eingestellt. Ich war es vorher, und jetzt umso mehr“, erklärte Teammanager Paolo Bonora am Samstag auf dem Sachsenring.
Das Fazit: Martin hat sich entschieden, zu kapitulieren und bis Ende 2026 für Aprilia zu fahren. Danach will er frei über seine Zukunft entscheiden, die wohl fernab von Aprilia liegt. Ob Honda dann noch Interesse hat, wird sich zeigen.
Text von German Garcia Casanova, Co-Autor: Gerald Dirnbeck
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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