(Motorsport-Total.com) – „Das Erste, was ich dachte, als sie mir den Job anboten, war, dass ich wohl etwas richtig gemacht haben muss“, sagt Marco Rigamonti über seine Rolle als Crewchief von Marc Marquez, der am letzten Sonntag seinen siebten MotoGP-Titel feierte. Für Rigamonti ist es die erste WM, die ein Fahrer unter seiner Betreuung gewinnt.
Im Gespräch mit Motorsportcom, einer Schwesterseite von Motorsport-Total.com, spricht er über diesen Meilenstein in Marquez‘ und seiner eigenen Karriere und verrät, wie es ist, mit einem der besten Fahrer aller Zeiten zu arbeiten.
Frage: „Was war der erste Gedanke, der Ihnen in den Sinn kam, als Ducati Ihnen sagte, dass Sie mit Marquez arbeiten würden?“
Marco Rigamonti: „Das erste Gefühl war Zufriedenheit, weil es in gewisser Weise bedeutete, dass Ducati mir vertraut. Ich muss etwas richtig gemacht haben.“
„Ich wusste bereits, dass er ein besonderer Fahrer ist. Seine Karriere beweist das. Aber ich habe nicht mit diesem Ausmaß an Dominanz gerechnet. Ebenso wenig mit seiner menschlichen Seite. Als Sportler sprechen die Zahlen für sich, das allein hebt ihn schon hervor. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich jemanden treffe, der so zugänglich ist und sich ins Team einfügt, als wäre er einfach ein weiteres Mitglied.“
Frage: „Was hat Sie an der Zusammenarbeit mit ihm am meisten überrascht?“
Rigamonti: „Marc hat der gesamten Arbeitsgruppe enorm viel Vertrauen in das, was wir tun, gegeben. Niemand hat mit einer solchen Meisterschaft gerechnet, und jetzt sind wir uns voll bewusst, was dieser Junge auf einem Motorrad leisten kann.“
„Das lässt dich jedes Wochenende mit dem Gefühl angehen, dass die Dinge gut laufen können. Man stelle sich vor: Er war bei jedem Rennen, das er beendet hat, auf dem Podest.“
Frage: „Wenn man bedenkt, was er letztes Jahr bei Gresini auf einem Vorjahresmotorrad geleistet hat, war das nicht schon ein Hinweis auf die Überlegenheit, die wir jetzt sehen?“
Rigamonti: „Die Zweifel, die nach der vierten Operation noch bestanden, wurden letzte Saison ausgeräumt, vor allem, weil es seine erste mit einem Motorrad war, das er nicht kannte. Aber das kommt nicht einmal annähernd an das heran, was er dieses Jahr geschafft hat. Der Schritt nach vorne war enorm.“
Frage: „Sie haben bereits mit vielen verschiedenen Fahrern zusammengearbeitet. Gibt es etwas, das ihn besonders auszeichnet?“
Rigamonti: „Ich würde Marc mit zwei Adjektiven beschreiben: komplett und positiv.“
„Komplett, weil er in jedem Aspekt präsent ist – in der Box, auf der Strecke, beim Training allein. Er achtet auf alles. Und positiv, weil er jedem Problem ruhig begegnet. Rennsport bedeutet Probleme – Stürze, technische Schwierigkeiten. Wenn der Fahrer einen kühlen Kopf behält, hilft das allen um ihn herum.“
Frage: „In seiner Honda-Zeit wurde manchmal behauptet, dass sein schieres Tempo die Entwicklung eher behindern könnte, weil er immer konkurrenzfähig ist.“
Rigamonti: „Ganz falsch ist das nicht, aber nicht in der Art, wie es manchmal dargestellt wird. Was Marc unterscheidet, ist seine Fähigkeit, 100 Prozent zu geben, auch wenn er sich nicht vollkommen wohlfühlt mit dem Motorrad.“
„Du kannst ihm ein Teil geben, das schlechter ist, und er wird dir sagen, dass es sich schlechter anfühlt, dass er sich weniger wohlfühlt. Aber er weiß auch, dass er trotzdem genauso schnell fahren kann wie mit dem anderen Teil oder Set-up. Das macht natürlich einen Unterschied, und das sieht man in den Ergebnissen.“
Frage: „Aber könnte das nicht eine Einschränkung bei der Entwicklung des Motorrads sein?“
Rigamonti: „Überhaupt nicht. Im Gegenteil, das war eine weitere Entdeckung. Entgegen dem, was manche sagen, ist Marc sehr sensibel und präzise, wenn er beschreibt, was mit dem Motorrad passiert. Er erkennt es und definiert es klar, auch wenn er trotzdem in der Lage ist, 100 Prozent von dem zu geben, was er hat.“
„Würde man nur auf die Stoppuhr schauen, könnte man sich täuschen lassen. Aber kombiniert man das mit seinem Feedback, weiß man, dass die Entwicklung auf dem richtigen Weg ist. Tatsächlich decken sich viele seiner Kommentare mit denen von Pecco, und wir wissen, dass auch er sehr sensibel ist.“
Frage: „Wenn man ihn auf dem Motorrad beobachtet, wirkt seine Haltung nach so vielen OPs am rechten Arm nicht ganz natürlich. Zeigt sich diese Einschränkung in den Daten?“
Rigamonti: „In den Daten sieht man das nicht. Was wir sehen, ist, dass er in bestimmten Rechtskurven etwas mehr Schwierigkeiten hat.“
„Aber er sagt, dass er diese Probleme schon immer hatte, deshalb denke ich, dass es eher mit seinem Fahrstil zusammenhängt. Angesichts all der Operationen am Arm ist es für ihn schwierig, eine bequeme Position zu finden, weil ihm etwas Kraft fehlt.“
Frage: „Wäre er ohne diese Einschränkung noch schneller?“
Rigamonti: „Vielleicht, aber es könnte auch sein, dass die Hölle, durch die er gegangen ist, ihn dazu gebracht hat, einen mentalen Schritt nach vorne zu machen.“
„Es geht hier nicht nur um den physischen Aspekt, und wahrscheinlich haben ihn all diese Operationen in anderen Bereichen verbessert, wie zum Beispiel beim Risikomanagement. Dieses Jahr ist er zum Beispiel viel seltener gestürzt als sonst.
Frage: „Überrascht es Sie, dass jemand, der so viel gewonnen hat, kein Problem damit hat, einen Fehler offen zuzugeben, wenn er einen macht?
Rigamonti: „Mit Marc zu arbeiten ist einfach, weil er es einfach macht. Wenn es einen Leistungseinbruch gibt, erklärt er, woher er kommt. Bei einem Sturz ist es dasselbe.“
„Wenn er die Verantwortung trägt, übernimmt er sie ohne Zögern. Manchmal sagt er uns auch, dass es Dinge gibt, die er einfach nicht kann, weil er sie weder bei Honda noch in der Moto2 konnte. Das gibt dir sehr viel Gelassenheit.“
Text von Oriol Puigdemont, Übersetzung: Juliane Ziegengeist
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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