(Motorsport-Total.com) – Wenn Marc Marquez dieser Tage in der Boxengasse auftritt, strahlt er jene unerschütterliche Selbstsicherheit aus, die ihn einst zu einem der dominantesten Fahrer in der Geschichte der MotoGP machte. Doch der erfahrene Spanier weiß besser als jeder andere, wie brüchig dieses Gefühl sein kann.
Im Interview mit MotoGPcom gewährt er einen offenen Einblick in seine dunkelste Karrierephase und in die Zweifel, die ihn beinahe zum Rücktritt bewegt hätten.
Heute, auf dem Höhepunkt seines Comebacks, wirkt die Geschichte noch unglaublicher: Marquez steht kurz davor, sich in Japan erneut vorzeitig zum Weltmeister zu krönen. „Vor zwei Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, in dieser Form hier zu stehen. Und jetzt gewinnen wir viele Rennen“, sagt er lächelnd.
Gleichzeitig betont der 32-Jährige, dass sich im Motorsport alles von einem Tag auf den anderen ändern könne. „Das weiß ich aus eigener Erfahrung.“ Genau diese Erfahrung prägte ihn wie keine andere: seine schwere Armverletzung im Jahr 2020.
Der Gedanke ans Aufhören war real
Marquez erinnert sich: „Ich kam von vier Titeln in Serie. Da fühlt man sich unbesiegbar, so, als könnte einem nichts passieren.“ Dieses Gefühl verleitete ihn auch dazu, viel zu früh zurückzukehren. „Der größte Fehler war das Comeback in Jerez. Aber ich vertraute meinem Instinkt, und der sagte damals: Fahr!“
Die Folgen waren dramatisch. Trotz mehrerer Operationen heilte der Arm nicht richtig. „Der härteste Moment kam 2021, als ich wieder fuhr und sofort spürte: Etwas stimmt nicht. Mein Arm fühlte sich verdreht an, ich hatte jeden Tag Schmerzen.“
In der Situation stellte Marquez seine Motivation, überhaupt weiterzumachen, ernsthaft infrage. Der Rücktritt war kein fernes Szenario mehr, sondern eine reale Option.
„Es war knapp, sehr knapp“, sagt der Spanier heute, angesprochen auf den Rücktrittsgedanken. „Die Frage war: Warum hören wir nicht einfach auf?“ Doch innerlich regte sich Widerstand: „Ich wollte mir selbst die Frage beantworten: Bin ich noch konkurrenzfähig? Dafür musste ich die beste Maschine fahren.“
Und das war die Ducati. Die Entscheidung, Honda zu verlassen und zu Gresini zu wechseln – sogar ohne Gehalt – war ein radikaler Schnitt. „Ich vergaß Beziehungen, Geld, die Geschichte. Es ging nur darum, mir zu beweisen, dass ich noch vorne mithalten kann. Hätte ich es nicht geschafft, wäre es das gewesen.“
Besonders Bruder Alex habe in dieser Zeit entscheidend geholfen. „Seine Ratschläge waren wichtig. Ohne ihn hätte ich diesen Schritt vielleicht nicht gewagt.“
Die Antwort auf die große Frage fiel schließlich eindeutig aus: Marquez war nicht nur konkurrenzfähig, er war wieder ganz vorne dabei. Der Wechsel ins Ducati-Werksteam brachte die endgültige Bestätigung seines erfolgreichen Comebacks.
„Ich wusste, dass ich hier in der perfekten Position bin, um um die WM zu kämpfen. Aber dass wir so viele Siege holen, sogar auf Strecken, die mir sonst schwerfallen, ist etwas, das niemand hätte voraussagen können“, zeigt sich Marquez selbst überrascht.
Bruderduell auf höchstem Niveau
Heute ist er wieder der Fahrer, der er immer sein wollte: entschlossen, aggressiv und im Titelkampf die Referenz. Eine besondere Note erhält die Saison durch die spezielle Konstellation in der WM: Marquez führt, Bruder Alex liegt auf Platz zwei.
„Das fühlt sich nicht real an. Ich weiß bis heute nicht, wie wir in diese Situation geraten sind. Normalerweise könnte so etwas Spannungen erzeugen, aber bei uns ist das Gegenteil der Fall. Unsere Beziehung ist enger denn je“, sagt Marquez.
Selbst beim Familienfrühstück wird über die WM gesprochen. „Nach einem seiner zweiten Plätze meinte Alex lachend: Warum habe ich dir eigentlich geraten, zu Gresini zu gehen?“
Was bleibt, ist die Gewissheit, dass Marquez seine Karriere, wann auch immer sie enden mag, mit erhobenem Haupt beenden kann. „Wenn du es versuchst, heißt das nicht, dass du es auch erreichst. Aber es ist schon ein Erfolg, es überhaupt zu versuchen. Denn wenn du es nicht versuchst, wirst du es nie wissen.“
„Wenn ich einmal zurücktrete, weiß ich, dass mehr als das, was ich probiert habe, nicht möglich gewesen wäre.“ Mit diesen Worten schließt sich ein Kreis: Aus der tiefsten Krise, die fast das Karriereende bedeutet hätte, hat Marquez den Weg zurückgefunden und ist wieder da, wo er immer sein wollte: ganz oben.
Text von Juliane Ziegengeist
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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