(Motorsport-Total.com) – „Als wir aus Lombok zurückkamen, sagte er mir, dass er am Ende sei, dass er nicht mehr weitermachen könne“, erinnert sich Jose Luis Martinez. Er ist weit mehr als nur der Assistent des frisch gekrönten MotoGP-Weltmeisters.

Marc Marquez unmittelbar nach der Zieldurchfahrt in Motegi

Anders als in den meisten Boxen, in denen die Teammitglieder häufig wechseln, steht er Marquez seit über elf Jahren zur Seite. 2015 stellte der frühere spanische Motocross-Meister (2011) seine eigene Karriere zurück, um sich ganz auf das Offroad-Training von Marquez zu konzentrieren.

Was zunächst als Trainingspartnerschaft begann, entwickelte sich zu einer engen, vertrauensvollen Beziehung. Martinez zählt zu den wenigen, auf die der Star wirklich hört. Kaum jemand kennt den Weg so gut, der Marquez zu einem der bemerkenswertesten Comebacks der Sportgeschichte führte.

Es war eine lange Reise in zwei Phasen: Die erste, von 2020 bis 2023, war ein reiner Leidensweg. Die zweite, die vergangenen beiden Jahre, standen im Zeichen des Wiederaufbaus. In beiden flossen viele Tränen – zunächst vor Schmerz, Frustration und Hilflosigkeit, später vor purer Freude.

An der Seite von Márquez waren stets Martínez und sein Bruder Alex. In jüngerer Vergangenheit kam seine Lebensgefährtin Gemma hinzu, die bei wichtigen Entscheidungen großen Einfluss hat.

Die schwerste Verletzung auf dem Höhepunkt
Kaum ein Rennen vereint derart gegensätzliche Emotionen, ein monumentaler Kraftakt und gleichzeitig der Beginn eines Albtraums. Beim Großen Preis von Spanien 2020 in Jerez zeigte Marquez eine historische Aufholjagd – nur um zu stürzen und sich den rechten Oberarm zu brechen.

Es war der Beginn einer dreijährigen Leidenszeit mit insgesamt vier Operationen, bis er seinen Arm wieder so bewegen konnte, dass das Handicap halbwegs beherrschbar war. „Niemand weiß, wie oft Marc geweint hat, um wieder an diesen Punkt zu kommen“, sagt Martinez.

In den dunkelsten Momenten wich er nie von seiner Seite – auch dann nicht, wenn er nichts sagen konnte: „Manchmal gibt es Situationen, in denen Worte nichts bewirken. Ich war einfach da, damit er wusste, dass er nicht allein ist.“

Besonders eindrücklich erinnert sich Martinez im Gespräch mit Motorsport.com Spanien, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network an die Rückkehr von Lombok im Jahr 2022.

Dort war Marquez nach einem Sturz nicht angetreten, weil sich seine Diplopie – das Doppeltsehen – erneut bemerkbar machte. „Er sagte mir, dass er nicht mehr könne, dass er aufhören wolle“, schildert Martinez, wie ernst die Lage damals wirklich war.

„Ich habe nur versucht, ihn zu beruhigen und habe ihm gesagt, dass er in so einem Moment keine endgültige Entscheidung treffen soll. Ich habe vorgeschlagen, erst einmal nach Madrid zu fliegen und in Ruhe essen zu gehen.“

Aus dieser Situation entstand ein Satz, der seither im inneren Kreis des Spaniers eine besondere Bedeutung hat: „Morgen ist Montag, und die Sonne wird wieder aufgehen.“ Marquez entschied sich nicht für das Karriereende.

Der Wechsel zu Gresini: Ein Neuanfang
Die vierte Operation am Arm, durchgeführt im Juni 2022 in der renommierten Mayo Clinic in Rochester (USA) brachte endlich den erhofften Fortschritt. Zum ersten Mal konnte Marquez wieder fahren, ohne dass die Fehlrotation des Arms ein unüberwindbares Hindernis darstellte.

Nachdem dieses Problem gelöst war, rückte das Motorrad in den Fokus. Die schwache Honda hatte selbst bei einem der größten Fahrer aller Zeiten Zweifel geweckt. Nach langen Gesprächen mit seinem engsten Umfeld traf Marquez die folgenschwere Entscheidung, Honda zu verlassen.

Sein einziges Ziel beim Wechsel zu Gresini: herauszufinden, ob er noch einmal mit den Besten mithalten kann. „Wir haben oft gescherzt, weil wir nicht verstanden haben, wie jemand, der so viel gewonnen hat, an sich selbst zweifeln kann“, erinnert sich Martinez.

Diese Zweifel waren endgültig ausgeräumt, nachdem Marquez im letzten Saisontest 2023 erstmals die Ducati pilotierte. Legendär ist bis heute das vielsagende Lächeln, das er dabei seinem neuen Crewchief Frankie Carchedi schenkte.

„Sobald er bei diesem berühmten Valencia-Test auf die Ducati stieg, hat er etwas gespürt. Wenn ich daran denke, bekomme ich noch heute Gänsehaut“, so Martinez. „Zur Saisonmitte hatte er endgültig Klarheit.“

„Zu sehen, welches technische Defizit sein altes Motorrad hatte, hat ihn nur noch stärker motiviert.“ Nach vier Podestplätzen gelang Marquez in Aragon der erste Sieg. Es folgten noch zwei weitere in Misano und auf Phillip Island.

Alles in Rot: Der nächste Schritt
Nachdem in Mugello 2024 offiziell bestätigt wurde, dass Marquez ab 2025 an der Seite von Francesco Bagnaia im Ducati-Werksteam fahren wird, nahm der Spanier den WM-Titel wieder ins Visier.

Bei den Vorsaisontests im Februar in Sepang fiel er auf – nicht nur durch seinen Fokus, sondern auch körperlich: Das Team schätzte, dass er mehr als drei Kilogramm abgenommen hatte. Marquez verlangt nicht nur von sich selbst absolute Perfektion, sondern auch von seinem gesamten Umfeld.

„Eine Sache gefällt mir an ihm nicht, und das habe ich ihm schon tausendmal gesagt“, betont Martinez. „Wenn er einen Fehler macht, bestraft er sich selbst viel zu sehr. Ich verstehe, dass ihn das antreibt, das zu tun, was er tut, und derjenige zu sein, der er ist. Aber es tut mir weh, das mitanzusehen. Ich versuche, ihn davon zu überzeugen, nicht so hart mit sich selbst zu sein.“

Die Rückkehr des Königs
Während viele Sportler unter Druck nervös werden, treibt er Marquez zu Höchstleistungen an. 2025 dominierte er die MotoGP-Konkurrenz derart, dass er den Titel fünf Rennen vor Saisonende fixierte. Zu diesem Zeitpunkt betrug sein Vorsprung 201 WM-Punkte.

„Druck ist das, was ihn zu seiner besten Leistung bringt – er kann sich dann noch stärker fokussieren und motivieren“, erklärt Martinez. „In den Rennen, in denen er am meisten gefordert war, hat er am besten performt. Wenn ich sehe, dass der Druck am Limit ist, weiß ich: Alles wird gut.“

Text von Oriol Puigdemont, Übersetzung: Gerald Dirnbeck

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