(Motorsport-Total.com) – Bei Yamaha beginnt man, die Komplexität des neuen MotoGP-Stars in den eigenen Reihen – Toprak Razgatlioglu – zu verstehen. Beim Privattest am Montag dieser Woche im MotorLand Aragon rückte Razgatlioglu erstmals mit der Yamaha M1 mit V4-Motor aus.

Toprak Razgatlioglu hinterlässt schon jetzt mächtig Eindruck im MotoGP-Paddock

Der nächstjährige Stammfahrer von Pramac-Yamaha legte im Verlauf des Tages 33 Runden zurück. Seine persönliche Bestzeit bei vergleichsweise kalten Bedingungen war 1:49.176 Minuten. Die Testbeszeit am Montag war 1:48.631 Minuten.

Yamaha war mit den Testfahrern Augusto Fernandez und Andrea Dovizioso, und eben mit dem nächstjährigen Pramac-Piloten Razgatlioglu vor Ort. Obwohl das Testteam Razgatlioglu gebeten hatte, zunächst nur ein paar Runden zu fahren, um sich mit dem Motorrad vertraut zu machen, verlangte der dreimalige Superbike-Weltmeister einen dritten Reifensatz, um seine Zeit zu verbessern – eine Forderung, die aufgrund der Konzessionsregeln nicht erfüllt werden konnte.

Razgatlioglu bot an, den zusätzlichen Reifensatz selbst zu bezahlen, und fragte sogar, ob er einen Reifen von Honda kaufen könne. Der zweite japanische Hersteller im MotoGP-Feld war am Montag ebenfalls im MotorLand Aragon testen, und zwar mit Testfahrer Aleix Espargaro. Der YouTuber MotoEtkinlik war im Fahrerlager von Aragon und interviewte Razgatlioglu nach dem Test.

„Es war sehr kalt, dann wurde es gegen Mittag etwas besser und es gab keinen Wind mehr“, berichtet Razgatlioglu und stellt heraus: „Das Gefühl auf einem MotoGP-Bike ist ein ganz anderes Gefühl als auf einem Superbike. Wenn man einen Fehler macht, merkt man das sofort. Das Motorrad ist sehr sensibel. Man gewöhnt sich allmählich daran, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns.“

Razgatlioglus größte Stärke ist das Bremsen – ein Aspekt, der ihm in der MotoGP-WM dabei helfen könnte, einen Unterschied zu bewirken. Aber er gibt zu: „Ich kenne die Grenzen des Vorderrads noch nicht wirklich. Ich weiß nicht, vielleicht muss ich erst ein paar Mal stürzen, um sie zu verstehen.“

Was Toprak Razgatlioglu beim Aragon-Test gelernt hat
„Ich wurde gewarnt, dass man mit Michelin-Reifen, die nicht aufgewärmt sind, nicht aggressiv fahren kann. Also habe ich versucht, vorsichtig zu sein. Aber mir sind ein paar gute Zeiten gelungen“, so der MotoGP-Rookie von 2026.

Über die Reifen sagt Razgatlioglu: „Ich hatte nur zwei neue Reifen, weil das Ziel einfach darin bestand, auf das Motorrad zu steigen und es kennenzulernen. Hätte ich einen weiteren Satz Reifen gehabt, dann hätte ich locker 1:48er-Rundenzeiten fahren können.“

„Vormittags bin ich mit neuen Reifen rausgefahren, um ein Gefühl für das Motorrad zu bekommen, und aus Sicherheitsgründen hatte ich auch zwei gebrauchte dabei. Ich habe mit einer 1:50.4 in einem Neun-Runden-Stint begonnen.“

„Dann bin ich drei Runden mit den gebrauchten gefahren, aber ich habe einen deutlichen Rückgang der Pace bemerkt. Die Zeiten waren sehr langsam. In den Rechtskurven war das Motorrad sehr instabil. Die Herangehensweise ist anders, ganz anders als mit den Pirelli-Reifen.“

Razgatlioglu: Mit neuen Reifen „hätte ich locker 1:48 fahren können
„In der letzten Session sind mir dann neun Runden im Bereich von 1:49 gelungen. Das war ein gutes Tempo, aber hätte ich einen weiteren neuen Reifen gehabt, dann wäre ich locker in die 1:48er-Zeiten gekommen. Ich habe um einen weiteren Reifen gebeten, aber sie konnten mir keinen geben“, so Razgatlioglu.

„Ich habe sogar angeboten, ihn selbst zu bezahlen, aber es gab keine mehr, da laut Regel nicht mehr als 260 Reifen [für Tests während des gesamten Jahres] verwendet werden dürfen. Da ich immer hohe Erwartungen habe, habe ich selber nach neuen Reifen gesucht. Ich habe sogar darüber nachgedacht, Honda zu fragen“, so der MotoGP-Neuzugang aus der Türkei.

Zusammenfassend sagt Razgatlioglu über seinen ersten Testtag auf der V4-Yamaha: „Alles lief gut. Das Wichtigste ist, dass ich nicht gestürzt bin und das Motorrad ein wenig kennenlernen konnte. Jetzt fahren wir mit einem besseren Verständnis zum Test nach Valencia. Wo das Limit des Vorderreifens ist, das weiß ich noch nicht, aber ich konnte sehen, dass das Motorrad auf den Geraden regelrecht fliegt. Es ist wirklich schnell.“

Aleix Espargaro von Razgatlioglu überrascht: „Richtig, richtig guter Kerl“
Der am Montag beim Aragon-Test ebenfalls auf der Strecke gewesene Honda-Testfahrer Aleix Espargaro äußert sich am Donnerstag in Valencia zwar nicht dazu, wie Razgatlioglu einen der Reifen von Honda kaufen wollte. Dennoch ist der MotoGP-Routinier aus Spanien vom nächstjährigen Rookie aus der Türkei schwer beeindruckt.

„Ich hatte vorher noch nie mit ihm gesprochen und hatte wohl ein bisschen ein falsches Bild von ihm“, sagt Espargaro und erklärt, was er damit meint: „Er ist ein Fahrer, der auf der Strecke sehr aggressiv ist. Aber er ist ein richtig, richtig guter Kerl. Ich habe mich im Hotel mit ihm unterhalten. Er ist wirklich ein sehr, sehr netter Kerl, der mich absolut überrascht hat.“

„Ich habe ihn auch auf der Strecke fahren sehen“, so Espargaro weiter über Razgatlioglu, „aber dazu muss man wissen, dass die Bedingungen wirklich schwierig waren. Wir hatten nur etwa 14 bis 15 Grad [Celsius] Streckentemperatur. In Kurve 2 beispielsweise konnte ich das Motorrad deshalb gar nicht richtig in Schräglage bringen. Ich würde sagen, dass er recht schnell war. Ich glaube, Yamaha hat mit ihm eine gute Wahl getroffen.“

Augusto Fernandez weiß: Größte Umstellung sind die Reifen
Auch Yamaha-Testfahrer Augusto Fernandez, der an diesem Wochenende genau wie der Honda-Testfahrer Aleix Espargaro mit einer Wildcard am MotoGP-Saisonfinale 2025 in Valencia teilnimmt, äußert sich am Donnerstag über Razgatlioglu.

„Ich denke, es war ein sehr positiver erster Tag für ihn. Ich habe mir angesehen, wie er gefahren ist und habe mir auch seine Daten angesehen“, sagt Fernandez und bekennt: „Ich war auf positive Weise überrascht. Aber wir wissen ja, wie talentiert er ist. Über das Talent von Toprak brauchen wir nicht diskutieren, aber ein MotoGP-Bike fährt sich nun mal ganz anders.“

„Ich habe mit ihm nicht über Details gesprochen“, gibt Fernandez zu, sagt aber auch: „Er war glücklich damit, wie der Test gelaufen ist und dass er ein erstes Verständnis aufbauen konnte, vor allem für die Michelin-Reifen. Mehr als um das Motorrad ging es für ihn um die Michelins.“

Genau das kann Fernandez „vollkommen verstehen“, wie er sagt. Der MotoGP-Testfahrer von Yamaha hat zu Beginn dieses Jahres einen Test auf einer Yamaha R1 aus der Superbike-WM mit den dort zum Einsatz kommenden Pirelli-Reifen absolviert. „Dabei ist mir klar geworden, dass die Reifen der größte Faktor bei der Umstellung sind, vor allem der Vorderreifen“, sagt er.

Zwischenzeitlich gab es im Winter 2024/25 Gerüchte, Fernandez könnte in die Superbike-WM wechseln. Das ist bislang zwar nicht passiert. Trotzdem weiß er, dass sich ein Superbike und ein MotoGP-Bike im direkten Vergleich „ganz anders fahren“.

Und genau wie Aleix Espargaro, so setzt auch Augusto Fernandez die von Toprak Razgatlioglu am Montag gefahrenen Rundenzeiten in Kontext: „Die Zeiten in Aragon waren generell langsam. Aleix und ich, wir waren langsamer als am Rennwochenende, weil der Test bei anderen Bedingungen stattgefunden hat.“

„Er“, bezieht sich Fernandez auf Razgatlioglu, „lag aber nicht weit zurück. Und wie gesagt, ich fand seinen Fahrstil nicht schlecht. Wir werden sehen, wie es läuft, wenn er gleichzeitig mit allen anderen auf einer anderen Strecke testet, aber schlecht war das nicht“.

Den von Fernandez angesprochenen Direktvergleich mit der MotoGP-Konkurrenz, den wird es für Razgatlioglu am kommenden Dienstag (18. November) beim offiziellen Valencia-Test geben. Beim traditionellen Nachsaisontest, der bereits als Vorbereitung für die neue Saison dient, werden – Stand Donnerstag – alle Stammfahrer mit Ausnahme des verletzten Weltmeisters Marc Marquez dabei sein.

In einem Aspekt ist Fernandez vom 2026er-Rookie Toprak Razgatlioglu schon jetzt überzeugt: „Seine größte Stärke ist mit Sicherheit das Bremsen.“ Als der Yamaha-Testfahrer nach diesem Satz gefragt wird, ob das denn auch für das MotoGP-Bike gelte, antwortet er: „Ja, wobei er nicht so bremsen wird können wie mit dem Superbike. Er wird aber einen Weg finden, auf andere Art und Weise auf der Bremse stark zu sein. Sein Talent beim Bremsen unglaublich.“

Miguel Oliveira: Erster Superbike-Test für BMW Ende November
Während Toprak Razgatlioglu nach drei WM-Titeln und 78 Rennsiegen in der Superbike-WM nun den Wechsel in die MotoGP-WM vollzieht, geht Miguel Oliveira den umgekehrten Weg. Der Portugiese, Moto3-Vizechampion (2015), Moto2-Vizechampion (2018) und fünfmaliger Rennsieger in der MotoGP-Klasse, wechselt für 2026 in die Superbike-WM.

Beim MotoGP-Test in Valencia am Dienstag wird Oliveira schon nicht mehr dabei sein. Seine Yamaha M1 im Pramac-Team wird dann direkt von Razgatlioglu übernommen. Im Gegenzug hat Oliveira in der Superbike-WM beim dort letzten Arbeitgeber von Razgatlioglu unterschrieben, nämlich im BMW-Werksteam.

Als Teamkollege für die Saison 2026 in der Superbike-WM bekommt Oliveira einen anderen ehemaligen MotoGP-Piloten, nämlich Danilo Petrucci. Der Italiener wechselt aus dem Ducati-Kundenteam Barni ins BMW-Werksteam.

Und während Razgatlioglu am kommenden Dienstag beim Valencia-Test erstmals zusammen mit seinen nächstjährigen MotoGP-Kollegen auf die Strecke geht, muss sich Oliveira für sein erstes Zusammentreffen mit seinen nächstjährigen Superbike-Kollegen nur ein paar Tage länger gedulden.

„Am 26. und 27. dieses Monats werde ich in Jerez testen“, antwortet der Portugiese am Donnerstag in Valencia auf die Frage, wann er die BMW zum ersten Mal testen wird. Beim von ihm angesprochenen Jerez-Test handelt es sich um einen der offiziellen Superbike-Wintertests, an denen mehrere Teams teilnehmen.

Fabio Quartararo gespannt auf Razgatlioglu beim Valencia-Test
Und was MotoGP-Rookie Toprak Razgatlioglu angeht, so äußert sich am Donnerstag in Valencia zu guter Letzt auch Yamaha-Werkspilot Fabio Quartararo. Genau wie Testfahrer Augusto Fernandez, so hat sich auch der Franzose im Nachgang zum Aragon-Test mit Razgatlioglu unterhalten. Ähnlich wie Fernandez sagt er aber, dass es dabei noch nicht um Details ging.

„Meine Frage an ihn war eher eine persönliche, wie es ihm auf dem Motorrad ergangen ist. Schließlich hat er schon mal getestet, aber das ist schon zwei, drei Jahre her“, sagt Quartararo und denkt damit an Razgatlioglus Yamaha-Privattests auf der M1 mit Reihenmotor in Aragon 2022 und in Jerez 2023 zurück.

Warum Quartararo bei Razgatlioglu nicht nach Details vom Aragon-Test gefragt hat? „Er wird ja am Dienstag ohnehin hier testen“, blickt der MotoGP-Weltmeister von 2021 auf den wichtigen Valencia-Test und sagt: „Deshalb ist es nicht so wichtig zu wissen, was in Aragon war.“

„Ich habe natürlich mit Toprak gesprochen, aber wie gesagt, ging es dabei um seine Erfahrungen beim MotoGP-Fahren, nicht um das Motorrad als solches. Ich denke, der Dienstag wird da mehr Aufschluss geben“, so Quartararo.

Text von Mario Fritzsche, Co-Autor: German Garcia Casanova

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