Enea Bastianini - © Motorsport Images

© Motorsport Images – Enea Bastianini hat sich beim Startcrash in Barcelona mehrere Knochen gebrochen

(Motorsport-Total.com) – Gleich mit zwei Schrecksekunden begann am Sonntag das MotoGP-Rennen zum Grand Prix von Katalonien 2023 auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya.

Dem dramatischen Highsider von WM-Spitzenreiter Francesco Bagnaia in Kurve 2 vorausgegangen war ein Startunfall in Kurve 1, in den fünf Piloten verwickelt waren, und zwar allesamt von Ducati-Teams: Enea Bastianini, Marco Bezzecchi, Fabio Di Giannantonio, Alex Marquez und Johann Zarco.

Auslöser für den Startcrash war Enea Bastianini, der Teamkollege von Francesco Bagnaia im Ducati-Werksteam. Vor Kurve 1 wollte „Bestia“, der von Startplatz 14 kam, ganz innen jede Menge Plätze gewinnen. In Kurve 1 aber bremste er einen Tick zu spät. Das Hinterrad seiner Ducati rutschte weg und er konnte nicht mehr rechtzeitig verzögern.

Die Folge war ein direkter Zusammenstoß von Bastianinis Werks-Ducati mit der Pramac-Ducati von Johann Zarco. In der Kettenreaktion wurden auf der Außenseite der Kurve die beiden Gresini-Ducati-Piloten Fabio Di Giannantonio und Alex Marquez sowie VR46-Ducati-Pilot Marco Bezzecchi abgeräumt.

Die MotoGP-Rennkommissare haben Bastianini für das Auslösen des Startunfalls mit einer Strafe belegt. Im nächsten Grand Prix, an dem er teilnimmt, muss er eine Long-Lap-Penalty absolvieren. Ob das schon am kommenden Sonntag in Misano der Fall sein wird, ist aber fraglich. Bastianini hat sich nämlich Verletzungen zugezogen.

Enea Bastianini trägt Knochenbrüche und Strafe davon
Direkt nach dem Startunfall wurde Bastianini – genau wie Teamkollege Bagnaia nach dem Highsider – im Medical-Center der Strecke untersucht. Anschließend wurden beide in ein Krankenhaus in Barcelona gebracht. Bei Bastianini wurden Knochenbrüche diagnostiziert.

„Enea hat einen Bruch des linken Knöchels und muss operiert werden“, wird Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti von ‚Sky Italia‘ zitiert. „Ich glaube, [die Operation] wird in den nächsten Tagen in Italien vorgenommen. Außerdem hat er einen Knochenbruch in der linken Hand, ich glaube im Finger. Das ist aber weniger schlimm.“ Das Ducati-Team bestätigt diese Informationen am Sonntagabend auf Social Media.

Espargaro-Brüder üben nach Startunfall heftige Kritik
Rennsieger Aleix Espargaro ist dem Startunfall ganz knapp entkommen. Zur Erinnerung: Schon im vergangenen Jahr gab es in Barcelona einen Startunfall. Damals war Takaaki Nakagami der Auslöser mit einem ganz ähnlichen Manöver wie diesmal Bastianini. Zu Sturz kamen damals abgesehen von Nakagami auch Francesco Bagnaia und Alex Rins.

Auf Nachfrage, ob es helfen würde, wenn man die Startlinie in Barcelona näher an Kurve 1 heranrücken würde, hat Aleix Espargaro eine klare Meinung: „Ich denke, wir sind gut genug, um an der richtigen Stelle zu bremsen anstatt zu versuchen, direkt in der ersten Kurve 25 Fahrer zu überholen. Deshalb ist für mich der springende Punkt nicht, wo gestartet wird, sondern wer auf dem Motorrad sitzt.“

„Wir müssen einfach in der ersten Kurve ein bisschen entspannter sein. So schwierig ist das nicht“, insistiert Aleix Espargaro und unterstreicht: „Es geht wirklich nicht darum, wo gestartet wird. Selbst wenn wir direkt vor der Kurve starten würden, aber jemand einfach nicht bremsen will, dann bremst er nicht.“

Bruder Pol Espargaro stimmt zu. „In der ersten Kurve, wenn die Tanks noch voll und die Reifen noch kalt sind, müssen wir einfach alle sehr vorsichtig sein. Das hat auch nichts mit irgendwelchen Devices [an den Motorrädern] zu tun. Das war einfach ein menschlicher Fehler, und zwar ein großer.“

Maverick Vinales und sogar Jorge Martin stimmen zu
Auch Aleix Espargaros Aprilia-Teamkollege Maverick Vinales sieht die Sachlage wie die Espargaro-Brüder. Vinales erinnert an den Startunfall im Sprint vor zwei Wochen am Österreich-Wochenende in Spielberg. Dort war Jorge Martin der Auslöser, als er ganz innen jede Menge Positionen gutmachen wollte. In Kurve 1 kam es zur Berührung mit Fabio Quartararo und in Kettenreaktion mit unter anderem Vinales.

„Wir haben ja gesehen, was in Österreich passiert ist. Dort ist der Weg vom Start bis in die erste Kurve nicht sehr weit. Es geht einfach darum, wo man bremst“, so Vinales. „In diesem Fall [in Barcelona] haben wir einen Fahrer gesehen, der ein bisschen zu spät gebremst hat. Und dann geht ihm natürlich der Platz aus. Das ist ja klar. Mit dem Layout der Strecke hat das meiner Meinung nach nichts zu tun.“

Jorge Martin hat aus seinem Fehler in Spielberg (für den er sich genau wie jetzt Bastianini eine Long-Lap-Penalty für den nächsten Grand Prix einfing) offenbar gelernt. Zum Startunfall am Sonntag in Barcelona sagt Martin (P3 im Rennen): „Das Layout ist ja hier schon seit Jahren so. Beim nächsten Mal müssen sie einfach ein bisschen vorsichtiger sein.“ Und mit leiser Stimme fügt er hinzu: „So wie ich.“

Johann Zarco: „Manchmal geht das vielleicht gut, aber …“
Johann Zarco, der in Barcelonas Kurve 1 direkt von Bastianini getroffen wurde, beschreibt den Unfall aus seiner Sicht: „Mein erster Start war gut. In der ersten Kurve habe ich aufgepasst, dass ich Binder und Oliveira nicht erwische. In dem Moment wurde ich von Bastianini getroffen.“

„Schon gestern [im Sprint] kam er ganz innen angeflogen“, sagt Zarco über Bastianini und weiter: „Gestern hatte er Glück, dass ich auf Nummer sicher gegangen bin und nicht direkt eingelenkt habe. Heute aber war ich schon in der Kurve, während er versucht hat, ungefähr sechs Positionen gutzumachen.“

„Manchmal geht das vielleicht gut und du bist der Held. Meistens aber geht es nicht gut aus“, so Zarco, der zum Schluss kommt: „Es gibt halt immer einen, der es ein bisschen übertreibt. Voriges Jahr war es Nakagami. Dieses Jahr war es Bastianini.“

Deja-vu für Marco Bezzecchi: Nach Spielberg jetzt Barcelona
Für VR46-Pilot Marco Bezzecchi war es am Sonntag das zweite Mal innerhalb von 15 Tagen, dass er unverschuldet in einen Startunfall verwickelt wurde. Im Spielberg-Sprint wurde er in der von Jorge Martin ausgelösten Kettenreaktion abgeräumt, im Barcelona-Rennen nun in der von Enea Bastianini ausgelösten Kettenreaktion.

„Es war genau wie in Österreich. Ich habe nichts kommen sehen, sondern wurde einfach von vier oder fünf Motorrädern getroffen. Als ich später die Wiederholung gesehen habe, habe ich verstanden“, sagt Bezzecchi. Zwar konnte er anders als Bastianini beim Neustart wieder Aufstellung nehmen. Die Chance auf ein Top-Ergebnis im Rennen aber trotzdem dahin.

„Mein Motorrad ist nicht mehr angesprungen und wir hatten keinen Medium-Vorderreifen mehr parat [für das Ersatzmotorrad]. Deshalb musste ich mit dem weichen Vorderreifen fahren“, so Bezzecchi, der damit stark zu kämpfen hatte und letztlich nur auf P12 ins Ziel kam.

Marc Marquez war in den Startunfall zwar nicht verwickelt, hatte aber eine gute Sicht auf das Geschehen. Der Honda-Pilot beschreibt: „Ich fuhr mehr oder weniger auf gleicher Höhe mit Enea, aber er war weiter innen. Ich habe schon spät gebremst, aber er noch später.“

„Es war ein Fehler von ihm und er hat eine Strafe bekommen“, so Marquez über Bastianini und weiter: „Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Er wird sicherlich daraus lernen. Weil er leider verletzt ist, wünsche ich ihm eine schnelle Genesung.“

Startlinie in Barcelona verlegen oder nicht?
Übrigens: Zur Frage, ob es helfen würde, wenn man den Start in Barcelona näher an die erste Kurve heranrücken würde, gibt es zahlreiche Fahrerstimmen, die sich mit denen von Aleix Espargaro und Maverick Vinales decken.

So sagt auch Brad Binder: „Ich glaube, es würde sich nicht viel ändern, denn die Linien können sich dort sehr leicht kreuzen. Das ist einfach der Charakter der Kurve. Manchmal wird man da sehr leicht hineingezogen. Heute kam noch ein recht starker Rückenwind dazu. Und das hilft nie.“

Hingegen ist Franco Morbidelli der Ansicht, dass eine kürzere Beschleunigungsphase bis zur ersten Kurve durchaus helfen würde, Startunfälle wie in diesem Jahr oder im vergangenen Jahr zu vermeiden. „Ich finde, sie sollten den Start näher an die erste Kurve heranrücken. Das würde wirklich einen Unterschied bewirken. Denn so, wie es jetzt ist, kommen wir an dieser Stelle im fünften Gang mit über 200 km/h an. Da wird das Bremsen natürlich zum Problem und es gibt Chaos“, so Morbidelli.

Dem hält Marc Marquez entgegen, dass „es nichts ändern würde“, wenn man den Start verlegt. „Wenn der Start dicht an der ersten Kurve liegt, kann auch etwas passieren, wie in Österreich gesehen. Dort gab es einen großen Unfall. Wenn der Start weit weg von der ersten Kurve erfolgt, kann auch etwas passieren.“

„Die Fahrer müssen einfach vorsichtiger sein“, stimmt Marquez dem Großteil seiner Vorredner zu und verweist auf den Neustart nach der Rotphase: „Wir haben es ja beim zweiten Start gesehen. Da waren alle vorsichtiger, nachdem sie gesehen haben, was beim ersten Start passiert ist.“

Espargaro plädiert für härtere Strafe – Marquez mahnt zur Ruhe
Rennsieger Aleix Espargaro merkt abschließend noch an, dass eine simple Long-Lap-Penalty für den nächsten Grand Prix in seinen Augen nicht ausreicht als Strafe für das Auslösen eines Unfalls, in den mehrere Kollegen verwickelt wurden.

„Wenn du ein Kurve 1 jemanden abräumst, dann sollte die Strafe härter ausfallen“, meint Espargaro und erklärt: „Eine Long-Lap-Penalty kann es geben, wenn du im Verlauf des Rennens jemanden berührst, okay. Aber wenn du in der ersten Kurve einen Unfall auslöst, in den fünf Fahrer verwickelt werden, dann sollte es mindestens eine doppelte Long-Lap-Penalty geben, mindestens.“

Marc Marquez aber, der in seiner langen und erfolgreichen Karriere selber schon den einen oder anderen Unfall ausgelöst hat, ist eines noch wichtig zu betonen: „Enea wird aus dem, was heute passiert ist. lernen. Er ist ja kein Verrückter. Er fährt auch nicht über dem Limit.“

„So etwas kann mit diesen superschnellen Motorrädern manchmal einfach passieren. Es ist nicht notwendig, weiter darauf herumzureiten. Ein Fahrer hat einen Fehler gemacht und ist bestraft worden. Nächstes Wochenende fahren wir wieder“, so Marquez.

Text von Mario Fritzsche, Co-Autor: German Garcia Casanova

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