(Motorsport-Total.com) – Yamaha konzentriert sich voll auf die Entwicklung des V4-Motors, mit man in der MotoGP wieder wettbewerbsfähig werden will. Doch die Art und Weise, wie man den Fahrermarkt für 2026 gehandhabt hat, macht deutlich, dass es noch ein weiteres Gebiet gibt, in dem dringend Verbesserungen nötig sind.
Denn erst nach Monaten, in denen Miguel Oliveira, Jack Miller und die halbe Moto2-Klasse hingehalten wurden, wird Yamaha in den kommenden Tagen bekanntgeben, dass letztlich Miller derjenige sein wird, der in der kommenden Saison bei Pramac an der Seite von Toprak Razgatlioglu antreten soll.
Wie bei jeder Entscheidung dieser Art werden die Meinungen geteilt sein, und nur die Zeit wird zeigen, ob es die richtige Wahl war. Für manche ergibt es in dieser Phase des Yamaha-Projekts durchaus Sinn, den Australier zu behalten.
Seine Erfahrung könnte helfen, das Maximum aus dem V4-Motor herauszuholen, der die in den letzten Jahren verlorene Schlagkraft zurückbringen und die Marke wieder in den Kampf um Siege, und vielleicht irgendwann Titel, führen soll.
Miller nur zweite Wahl für Yamaha?
Für andere widerspricht die Verlängerung der Zusammenarbeit jedoch dem ursprünglichen Geist eines „Juniorteams“, das eigentlich jüngeren Talenten den Einstieg in die Königsklasse ermöglichen sollte. Ohne in eine naturgemäß subjektive Debatte einsteigen zu wollen, ist eines klar: Der Prozess, den Yamaha bei der Wahl des letzten verfügbaren Platzes für 2026 angewendet hat, hätte deutlich besser laufen können.
Millers Aussagen gegenüber den Medien am Donnerstag in Ungarn konnte man jedenfalls entnehmen, dass er sich nicht ganz wohl damit fühlte, so lange auf Yamahas Antwort zu warten. „Ich war geduldig genug mit Yamaha. Wenn ihr mich wollt, dann wollt ihr mich. Wenn nicht, dann nicht“, so der Australier.
Und weiter: „Die Zeit vergeht und ich habe das Gefühl, dass Yamaha mich nicht will, besonders bei so vielen Namen, die als Kandidaten gehandelt werden.“ Nur wenige Stunden später wurde Miller dabei beobachtet, wie er mit seinem Manager Aki Ajo das Yamaha-Motorhome am Balaton Park Circuit betrat.
Auf Nachfrage erklärten Yamaha-Verantwortliche, Miller sei gekommen, „um sich für seine Worte gegenüber der Presse zu entschuldigen“. Eine merkwürdige Reaktion, bedenkt man, dass seine Frustration weitgehend nachvollziehbar war und seine Aussagen zwar direkt, aber keineswegs beleidigend klangen.
Zudem: Warum sollte sich Miller dafür entschuldigen, wenn er doch, wie er selbst andeutete, ohnehin kurz vor einem Wechsel in die Superbike-WM stand?
Nach mehreren Gesprächen mit Quellen, die dem Thema nahestehen, erfuhr Motorsport.com, eine Schwesterplattform von Motorsport-Totalcom, dass Miller seinen Platz für 2026 behalten. Öffentlich wird der Australier wohl sein bestes Lächeln zeigen, doch privat könnte er sich durchaus wie eine zweite Wahl fühlen.
Oliveira abserviert, Moreira doch verloren
Miguel Oliveira, sein aktueller Teamkollege, ist noch unzufriedener, da er weiterhin auf eine offizielle Antwort wartet – zumindest behauptet dies sein Umfeld. Besonders bitter ist sein Fall, da sein Yamaha-Vertrag ursprünglich bis Ende 2026 lief.
Allerdings enthielt er eine leistungsbezogene Ausstiegsklausel: Wenn Oliveira bis zu einem bestimmten Stichtag, vor der Sommerpause, der schlechteste der vier Yamaha-Fahrer in der Gesamtwertung sein sollte, war der Hersteller nicht mehr verpflichtet, ihn für das zweite Jahr zu behalten. Genau das trat ein, auch aufgrund der vier Grands Prix, die der Portugiese verletzungsbedingt verpasste.
Es war längst kein Geheimnis, dass Yamaha Diogo Moreira ins Visier genommen hatte und zugleich mit Manuel Gonzalez flirtete. Vor der Sommerpause schien der Brasilianer der Favorit zu sein, um an der Seite von Razgatlioglu ein Rookie-Duo zu bilden.
Seine Kooperation mit Yamaha Brasil, die ihn mit Trainingsbikes ausstattet, wirkte wie die perfekte Brücke, um eines der begehrtesten Talente der Moto2 zu verpflichten.
Während er im Titelkampf mit Gonzalez und Aron Canet lag, wartete Moreira auf einen entscheidenden Schritt seitens Yamaha. Stattdessen schlug mit Honda ein anderer japanischer Hersteller zu und überzeugte ihn von einem Wechsel.
Obwohl bei seiner Ankunft in Balaton noch nichts unterschrieben war, hatte Moreira bereits entschieden, zu HRC zu gehen, wo man ihm einen Dreijahresvertrag anbot. Das erste Jahr soll zur Anpassung an die schwereren Maschinen (2026) mit dem LCR-Team dienen, jedoch genießt es dabei Werksstatus.
Alle Hoffnung ruht auf dem V4-Projekt
Am Montag nach dem Ungarn-Grand-Prix bestätigte Yamaha-Direktor Paolo Pavesio, dass Augusto Fernandez in Misano den viel diskutierten neuen V4-Motor fahren wird, noch bevor dieser überhaupt öffentlich auf der Strecke getestet wurde.
Ein ungewöhnlicher Schritt für einen Hersteller, der normalerweise so verschwiegen ist. Die Ankündigung sollte unmissverständlich zeigen, wie groß die Anstrengungen sind, die sowohl in Japan als auch in Italien in das Projekt gesteckt werden. Und das zu Recht: Yamahas Zukunft, und vor allem die Chance, Fabio Quartararo zu halten, wird entscheidend von der Leistung des Motors abhängen.
Miller, Oliveira, Moreira und Gonzalez, den Yamaha weiterhin für 2027 im Blick hat, mögen enttäuscht sein. Doch Quartararo zu verlieren, wäre eine andere Hausnummer.
Text von Oriol Puigdemont, Übersetzung: Juliane Ziegengeist
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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