Es war einer dieser brütend heißen Tage im Juli. Ich stand schwitzend in der Werkstatt und suchte nach zwei BP7er Iridium Kerzen. Im Kerzenregal herrschte an der entsprechenden Stelle gähnende Leere.

Weil der Kunde sein Motorrad aber noch am gleichen Tag abholen wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich auf den Weg zur nahe gelegenen Louis Filiale zu machen. Also raus aus den dampfenden Arbeitsschuhen, rein in die Sandalen, das nasse Hemd gegen ein frisches T-Shirt getauscht und den Jethelm auf die Rübe. Draußen wartete schon eine getunte MT01, die noch probegefahren werden musste. Sobald wir vom Hof runter waren, kühlte der Fahrtwind den Oberkörper und wehte angenehm frisch durch die Socken. Unter mir bollerte der dicke Vauzwo. Ich liebe meinen Job. Viel zu schnell waren wir am Ziel.

Und da waren sie wieder. Auf einer Bank vor dem Laden saß eine Gruppe Motorradfahrer, die aus irgendeinem unerfindlichen Grund Winterklamotten anhatte. Ich meine diese Textilkombis, die in den letzten Jahren in Mode gekommen sind und mit denen man wahrscheinlich auch im Februar ohne Erfrierungen bis ans Nordkap kommt. Obwohl sie ein schattiges Plätzchen gefunden hatten, konnte man an den schwitzenden, geröteten Gesichtern erkennen, dass es ihnen nicht gut ging Schon während des Absteigens spürte ich neidische Blicke im Rücken. Als ich beim Reingehen freundlich rübergrüßte, schaute die ganze Saubande angestrengt an mir vorbei.

Natürlich hätte ich mich jetzt aufregen können. Über die Unhöflichkeit und noch mehr darüber, dass solche Typen uns allen schaden. Warum das so ist, wurde eigentlich schon oft genug gesagt – aber noch nicht von jedem. Und manche Dinge werden auch durch Wiederholung nicht falscher. Also, um der lieben Wahrheit willen in Kürze:

Seit Jahren steigen die Beiträge zur Krankenversicherung und ich möchte nicht wissen, welchen bedenklichen Blutdruckwerten sich jemand aussetzt, der derart eingepackt im Hochsommer unterwegs ist. Außerdem dürfte allgemein bekannt sein, dass die Konzentrationsfähigkeit unter solchen Bedingungen erheblich leidet. Das ist aber noch lange nicht alles. Seit den 90ern lässt sich beobachten, dass an heißen Tagen in den Werkstätten kaum noch etwas los ist. Früher kam der durchschnittliche Kunde zweimal im Jahr, um neue Reifen aufziehen zu lassen. Jetzt siehst du ihn meistens nur noch einmal zum obligatorischen Ölwechsel. Die jährliche Kilometerleistung sinkt ständig und es sollte mich wundern, wenn es nicht auch hier einen direkten Zusammenhang zum textilen Overkill gäbe. Und nicht zuletzt, frage ich mich, welchen Eindruck Außenstehende von uns bekommen, wenn sie diese dampfenden Goretex-Mumien täglich im Straßenverkehr sehen müssen. Da heißt es doch sofort wieder, dass alle Motorradfahrer verantwortungslose Irre wären.

Nun will ich es niemandem verübeln, wenn er das klimatisierte Auto dem Hitzetod vorzieht, aber es wundert mich schon, daß jemand, der ein Motorrad der 10.000 Euro Klasse fährt, nicht mehr die Kohle über hat, sich ein paar bequeme Schuhe, eine Jeans und ein T-Shirt zu kaufen. Zugestanden, die Lederjacke für die Überlandfahrt reißt ein etwas tieferes Loch ins Budget, aber so teuer sind die ja nun auch nicht mehr, seit fleißige Chinesen sie zusammennähen.

Mein Freund Til, der eine XT 600 fährt, jeden Donnerstag zur Männergruppe geht und Pol Pot für einen bedauernswerten, fehlgeleiteten Menschen hält, würde jetzt wahrscheinlich sagen, dass uns Motorradfahrer aber doch mehr verbindet als uns trennt und dass irgendwie doch jeder selbst für seine Gesundheit verantwortlich sein sollte und so. Ich bleibe dabei, dass Pol Pot einfach nur ein Riesenarschloch war.

von Ulf Penner

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