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© GP-Fever.de – Ex-Rennfahrer Alex Hofmann analysiert die wichtigsten Themen zur Saison 2018

(Motorsport-Total.com) – Eine MotoGP-Saison sorgt Woche für Woche für neuen Gesprächsstoff. Leidenschaftlich wird an den Stammtischen, in Internetforen und auf Social Media diskutiert.

Vor allem bei kontroversen Themen kann es vorkommen, dass sich die Gemüter erhitzen. Also hat sich ‚Motorsport-Total.com‘ einen wahren Experten gegriffen und einige Thesen in den Raum gestellt.

Niemand geringerer als Alex Hofmann, Ex-Rennfahrer und als Experte für ServusTV im Einsatz, hat sich mit unseren zehn Theorien zur Saison 2018 beschäftigt. Hier sind seine Ansichten:

These 1: Ducati hatte das beste Motorrad, aber Marc Marquez war einfach der bessere und cleverere Fahrer.
Alex Hofmann: „Das ist nicht leicht, aber ich muss gestehen, dass ich zustimme. Wenn man Ducati allgemein sieht, dann konnten beide Werksfahrer gewinnen. Das spricht für ein ausgeglichenes Paket. Auch Petrucci und Miller, der auf einem ähnlichen Bike fuhr, waren immer wieder dabei. Vier Fahrer kommen mit diesem Motorrad zurecht. Bei Honda war es hauptsächlich Marc, der es immer wieder rumgebogen hat sowie ein Cal Crutchlow, wenn er mal nen Höllenritt hinbekommen hat. Dann hört es leider schon auf.“

„Allgemein würde ich deshalb zustimmen, aber man muss auch sagen, dass die Ducati jetzt nicht viel, viel besser ist. Über die vergangenen drei, vier Jahre haben sie sich mit Gigi Dall’Igna im Hundertstel- und Zehntelbereich verbessert. Ich denke schon, dass man aus technischer Sicht sagen kann, dass die Ducati das beste Bike des Jahres gewesen ist.“

„Marc ist Marc. Er macht Sachen auf dem Bike, die ich so vorher noch nicht auf einem Motorrad gesehen habe. Er zeigt, wie viel Risiko er gehen muss. In den Trainings findet er das Limit über viele Stürze heraus und im Rennen reitet er den Ritt so sicher wie es geht. Das macht so sonst keiner und zeigt, wie sehr er ans Limit gehen muss, um Weltmeister zu werden.“

These 2: Der Tank und die Sitzposition waren gar nicht ausschlaggebend dafür, dass Jorge Lorenzo plötzlich so stark war.
Alex Hofmann: „Dem stimme ich auch zu. Ich glaube, für Jorge war das zu einem gewissen Zeitpunkt ein wichtiger Punkt – der Wohlfühlfaktor, damit alles passt. Ich glaube aber nicht, dass das der Punkt war, der den Unterschied gemacht hat, um von Platz fünf dann im nächsten Rennen um den Sieg zu fahren. Der Wohlfühlfaktor auf dem Motorrad ist ein sehr komplexes Puzzle.“

„Da kam dann bei ihm alles zusammen. Plus eine extreme Motivation, nachdem sich Ducati entschieden hat, sich von ihm abzuwenden. Er wollte es ihnen zeigen. Ich glaube, das war mehr der Grund als die Sitzposition, dass er sich im Kopf gesagt hat: ‚Jetzt zeige ich es euch‘. Es nur auf die Sitzposition zu schieben, wäre zu einfach.“

These 3: Yamaha befindet sich inmitten einer schwierigen Phase und es wird ähnlich wie bei Ducati noch eine lange Durststrecke bis zum nächsten WM-Titel.
Alex Hofmann: „Ich befürchte ja. Bei Honda haben sie Marc Marquez, der es schafft, ihnen das Spiel zu verderben. Ducati ist auch sehr gut aufgestellt. Yamaha müsste schon etwas finden, um wieder den Titel zu holen. Generell ist ihr Motorrad immer noch ausgeglichen, obwohl es keine riesen Stärken hat. Ich würde es mir wünschen, aber ich sehe es leider die nächsten zwei Jahre nicht. Es wird schwierig.“

„Konzeptwechsel zu V4-Motor? Das glaube ich nicht. Yamaha weiß genau was ihr Motor kann und kennt die Stärken von ihrem Konzept und wie man sie nutzen sollte. Sie schaffen es derzeit eben nicht zu hundert Prozent, das umzusetzen. Wenn man jetzt auf ein anderes Motorkonzept umsteigen würde, mit dem die Konkurrenz schon viele Jahre Erfahrung hat, würde sie das meiner Meinung nach zurück statt nach vorne werfen. So etwas dauert. Außerdem zeigt Suzuki auch, dass das Konzept vom Reihenvierzylinder noch nicht am Ende ist.“

These 4: Wenn sich früh abzeichnet, dass es wieder eine schwierige Saison für Yamaha wird, dann ist 2019 Valentino Rossis letztes Jahr – und dann erhält Jonas Folger diesen Platz.

Alex Hofmann: „Schöner Wunschtraum, aber da denke ich leider gar nicht dran. Beim Jonas fehlt glaube ich noch das absolute Commitment, ob er überhaupt wieder fahren will. Wenn Valentino nicht bei jedem Rennen um das Podium fahren kann und keinen Spaß mehr hat, was das Wichtigste ist, dann wird er aufhören. Das wird passieren, da bin ich mir sicher.“

„Aber an seiner Stelle wird dann nicht Jonas Folger fahren, sondern sein Schützling Franco Morbidelli. Das ist das Problem. Morbidelli wird jetzt bei SIC-Yamaha aufgebaut und kann alles kennenlernen. Ich bin mir sicher, dass Rossi diesen Masterplan hat, sich quasi selbst zu ersetzen.“

These 5: Mit der Trennung von Andrea Iannone macht Suzuki einen Fehler.

Alex Hofmann: Nein, denn es gibt die sportliche Komponente und die menschliche Komponente im Team. Ich glaube, Suzuki hat gesehen, dass die Kombination Iannone und Suzuki neben der Rennstrecke nicht funktioniert. Auf der Strecke ist Iannone ein Fahrer mit einem Kaliber, wo man sagen muss, dass Joan Mir ihn jetzt nicht sofort ersetzen wird können. Aber Suzuki hat einen langfristigen Plan und die Kombination Alex Rins und Joan Mir könnte für die nächsten drei, vier Jahre eine sehr gute Variante werden.“

„Zwischen Iannone und Suzuki hat es menschlich nicht geklappt, denn im Endeffekt ist es dennoch ein Teamsport. Wenn alle an einem Strang ziehen, kommt man weiter. Und es hilft nichts, wenn sich Fahrer den Schwarzen Peter zuschieben, wer die Arbeit geleistet hat. Und so Aussagen, dass er die Saat gesät hat und Rins die Früchte davon erntet – das ist kontraproduktiv. Deswegen glaube ich, dass Suzuki die richtige Entscheidung getroffen hat.“

These 6: KTM hätte an Bradley Smith festhalten sollen.
Alex Hofmann: „Nein. KTM brauchte den nächsten Input. Die Fahrer haben sich in den beiden Jahren an das Motorrad gewöhnt und es ist beim Fahrstil vielleicht ein Kompromiss entstanden. Man gewöhnt sich an das Motorrad und dessen Fehler.“

„Jetzt kommen neue Fahrer, die sagen können: ‚Das passt mir nicht, das will ich anders haben.‘ Natürlich muss man auch fahrerisch das richtige Niveau haben. Johann Zarco stand schon auf dem Podium und war zweimaliger Moto2-Champion. KTM brauchte dieses Kaliber und das war die Kategorie, die man bekommen konnte.“

These 7: Da bei Aprilia nichts vorwärts geht, sollte man nicht ständig Fahrer tauschen, sondern im Management Veränderungen vornehmen.
Alex Hofmann: „Jein. Man reagiert und es kommt im nächsten Jahr ein neuer Mann. Ob das allerdings der richtige Schritt ist? Das Problem ist, dass die Abläufe bei Aprilia-Racing viel langsamer geworden sind, seit Piaggio groß die Hand draufhält. Aprilia war früher wie KTM konsequent schnell bei der Umsetzung. Da gab es einen Anruf von Gigi Dall’Igna, wenn er etwas brauchte. Dann wurde gefragt, wie viel das kostet und der Daumen wurde nach oben oder unten gezeigt. So kann man schnell und effektiv arbeiten.“

„Mittlerweile steht ein großer Konzern wie Piaggio dahinter, der alles komplex und kompliziert macht. Die Budgets werden nüchtern angesetzt. Das ist meiner Meinung nach das größere Problem. Da kannst du als Manager noch so viel wollen, aber es wird schwierig, wenn du vom Budget her nicht schnell genug handeln kannst. Man muss auch sagen, dass das Budget von Aprilia momentan nicht ausreichend ist, um gegen die anderen Werke zu kämpfen.“

These 8: Vor der Saison hätte man keine zehn Euro darauf gewettet, dass Tom Lüthi keinen einzigen WM-Punkt sammelt.
Alex Hofmann: „Ja das stimmt, das hätte ich definitiv nicht gemacht. Wenn man sich die Karriere von Tom ansieht, dann ist er ein extremer Arbeiter – egal in welcher Klasse. Er hat sich immer nach vorne gearbeitet. Deswegen war klar, dass es nicht gleich super laufen wird, aber dass es dann nicht einmal für einen Punkt reicht, das hätte ich mir nicht gedacht.“

„Bei ihm war das Material schwierig und vielleicht hat er sich selbst zu viel Druck gemacht und er ist nie wirklich locker und entspannt Motorrad gefahren. Ich glaube, das wird er jetzt feststellen, wenn er wieder Spaß beim Fahren findet. Das sind Sachen, die man nicht vorhersehen kann. Ich glaube, keiner dachte, dass es eine punktelose Saison wird.“

These 9: Alvaro Bautista hätte sich weiter einen Platz in der MotoGP verdient, weil die Vertragsabschlüsse so früh in der Saison Mist sind.
Alex Hofmann: „Ich mache es nicht an Alvaro fest, aber die frühen Vertragsentscheidungen sind nicht ganz optimal. Man muss aber auch festhalten, dass es jetzt nicht jemanden trifft, der in der MotoGP nie die große Chance hatte. Alvaro hat durch alle Klassen eine der längsten Karrieren hingelegt und hatte tolle Jahre. Dementsprechend kommt jetzt für ihn in der Superbike-WM eine neue Herausforderung.“

„Aber auch neue Leute haben nur drei, vier Rennen Zeit, um zu zeigen was sie draufhaben. Und dann werden Entscheidungen getroffen. Das finde ich fatal. Wenn man vom Winter eine Verletzung in die Saison mitnimmt, oder es technisch nicht gut läuft, dann wird man auf dieser Grundlage bewertet. Das finde ich Schwachsinn, aber so ist der Markt. Je früher es Anfragen gibt, desto früher muss man darauf reagieren. Die großen Werke wollen sich die Ausnahmetalente zeitig sichern. Früher hat man erst Mitte des Jahres gesprochen, und jetzt schon in Katar oder noch früher.“

„Ich bin gespannt, ob man sich etwas einfallen lässt, um das zu ändern. Eine Transferperiode? Vielleicht was schriftliche Verbindlichkeiten betrifft. Gespräche davor kann man natürlich nicht unterbinden. Man kann sich natürlich per Handshake einigen, aber wenn man erst sechs Monate später unterschreiben darf, dann bringt das vielleicht noch einmal Schwung in das Transferkarussell. Es ist aber schwierig und fast unmöglich zu kontrollieren.“

These 10: Jorge Lorenzo wird mit der Honda schneller zurechtkommen als mit der Ducati.
Alex Hofmann: „Ja, das hat man schon beim Test gesehen. Ich war in Jerez vor Ort und glaube, dass er viel aus der Ducati-Zeit gelernt hat. In Jerez hat man gesehen, dass er sich seine ergonomischen Feinheiten schon anbauen hat lassen. Er hat schon gezeigt, dass ihm das Paket besser liegen wird. Er bringt zu Honda auch etwas mit, das den anderen Honda-Fahrern helfen kann. Ich glaube, er wird die Honda benutzerfreundlicher machen.“

„Es wird nicht so lange dauern wie bei Ducati, denn den Fehler, den er am Anfang gemacht hat, als er sie wie die Yamaha herrichten wollte, das machst du nur einmal. Eine Honda-Dominanz ist so meine Befürchtung für die nächsten zwei Jahre. Wenn das Motorrad wieder das Beste im Feld wird und die besten Fahrer draufsitzen, dann wird es natürlich schwierig, sie zu schlagen.“

Text von Gerald Dirnbeck

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