Marc Marquez, Andrea Dovizioso - © LAT

© LAT – Showdown in Valencia: Vierte MotoGP-Titel für Marquez, oder erster für Dovizioso?

Hätte man Andrea Dovizioso beim Saisonauftakt in Katar den WM-Stand von vor dem letzten Rennen in Valencia gezeigt, er hätte es nicht geglaubt.

Der Italiener steht 21 Punkte entfernt von seinem bislang größten Karriereerfolg. Nach zehn Jahren kämpft wieder eine Ducati – mit einem italienischen Piloten – um den WM-Titel.

Allerdings wissen die Roten, dass es ein kleines Wunder von Valencia braucht, um Marc Marquez auf heimischen Boden zu schlagen. Aber auch WM-Rang zwei würde Dovizioso und die gesamte Mannschaft glücklich stimmen. Seiner Saison 2017 würde er schon jetzt eine „9,5“ von 10 möglichen Punkten verleihen.

„Ich bin sehr glücklich und stolz auf die WM“, schickt Dovizioso in der Pressekonferenz am Donnerstag voraus. „Wir haben in einer guten Position begonnen, aber danach hatten wir ein paar Probleme. Seit Mugello sind wir sehr konkurrenzfähig. Natürlich mit Höhen und Tiefen, aber wir kämpfen beim letzten Rennen noch um die Meisterschaft“, analysiert er seine bisherige Saisonleistung grob. In Italien platzte der „Dovi“-Knoten endgültig.

Sechs Saisonsiege feierte der Italiener bisher, so viele wie noch nie in einem Jahr. Auch ohne krönenden WM-Titel wird das Jahr 2017 als sein bislang bestes seiner MotoGP-Karriere in die Geschichte eingehen. „Ich bin zufrieden mit unserer Arbeit im Laufe der Saison, weil wir viele Dinge verstanden haben.“ Doch nicht nur die Desmosedici hat Dovizioso in diesem Jahr besser verstanden als jeder andere Topfahrer.

Dovizioso endlich von seinem Talent überzeugt
Wie Ducati-Manager Davide Tardozzi gegenüber ‚MotoGP.com‘ ausführt, ist Dovizioso vor allem mental gestärkt aus der Winterpause in die Saison gegangen. „Schon was er im Winter gezeigt hat, sein täglicher Zugang zur Arbeit – da hat sich etwas verändert. Schon vor der Saison habe ich gesagt, dass Andrea seine beste MotoGP-Saison fahren wird. Andrea war zwar schon immer schnell, aber nie überzeugt von seinem Talent. Jetzt ist er es. Jetzt weiß er, dass er auch Marc Marquez schlagen kann. Davor wusste er es nicht. Er weiß, dass er um den WM-Titel kämpfen kann.“

Diese Gewissheit ist es auch, die den 31-Jährigen so ruhig bleiben lässt. „Er ist nicht nervös, er ist sehr ruhig. Ihm ist bewusst, dass es wirklich sehr schwierig wird. Aber er ist entspannt, denn er ist sich seines Talents jetzt bewusst“, betont der Italiener und ergänzt: „Er hat nun keine Sorgen mehr. In den vergangenen Jahren hat er immer gegen sich selbst gekämpft. Er musste immer versuchen, sich davon zu überzeugen, dass er die anderen schlagen kann. Wenn er es nicht konnte, dann hat er eben um das Podium gekämpft und wurde Dritter. Das reicht jetzt aber nicht mehr. Das kann er jetzt nicht mehr akzeptieren.“

Denn in der Saison 2017 zeigte sich „Desmo Dovi“ von seiner bislang besten Seite. Gleich zweimal konnte er Marquez in einem packenden Rad-an-Rad-Duell noch in der letzten Kurve abfangen und schlagen – in Österreich und in Japan. Dennoch stehen nach 17 Saisonrennen 21 Punkte Rückstand zu Buche. „21 Punkte sind sehr viel, es wird sehr schwierig, aber es ist immer noch offen“, hält der Ducati-Pilot seine WM-Chance am Leben. „Wir müssen das Rennen einfach gewinnen, das wird schwierig, weil hier viele Piloten sehr schnell sind.“

Ducati „sollte 2017 in Valencia konkurrenzfähiger sein“
Der Kurs in Valencia ist kein Ducati-Land, erst zweimal konnte ein italienisches Fabrikat auf dem Circuit Ricardo Tormo gewinnen. Dovizioso fuhr erst einmal, 2011, auf das Podium. „Wir haben aber einen guten Speed“, besinnt er sich auf die Stärke seines Bikes. Seine Strategie lautet: „Gewinnen, dann müssen wir sehen, was Marc macht. Ich fühle aber keinen Druck, weil ich glücklich bin über diese Saison.“

Dovizioso muss in Valencia seinen siebten Saisonsieg feiern, will er noch ein Wörtchen um den Titel mitreden. Allerdings muss auch Marquez mitspielen, denn der Spanier darf nicht besser als Zwölfter werden am Sonntag. Tardozzi weiß: „Eine Sache ist, das Rennen zu gewinnen, aber eine andere, dass Marquez nicht in die Top 11 fährt. Ehrlich gesagt denke ich nicht, dass das passieren wird.“

„In der Vergangenheit war Ducati hier mal besser, mal schlechter. Ich hatte hier immer Probleme, aber unser Speed in den Trainings im Vorjahr war nicht so schlecht“, schöpft der 125er-Champion des Jahres 2004 dennoch Mut. „Nur im Rennen fühlte ich mich nicht so gut. In diesem Jahr sollten wir konkurrenzfähiger sein. Zuerst müssen wir aber auf die Strecke gehen, um die Reifen und das Bike in diesem Jahr zu verstehen, weil es anders ist. Ich erwarte, konkurrenzfähig zu sein. Ich weiß aber nicht, ob es genug sein wird, um um den Sieg zu kämpfen.“

Ducati-Titel nach zehn Jahren? „Bologna würde explodieren“
Von solch einem Szenario habe man bei Ducati vor Saisonbeginn noch geträumt, räumt Tardozzi ein. Er gibt außerdem zu, dass die Schwachstelle in dieser Saison nicht der Mensch, sondern oftmals die Maschine war. „Leider waren wir auf manchen Strecken mit dem Bike nicht ganz so konkurrenzfähig. Das war ein Problem für Andrea, speziell in Phillip Island“, spricht er das schlechteste Saisonergebnis von Dovizioso (13. Platz) an.

Die Hoffnung auf den ersten Ducati-Titel seit Casey Stoner 2007 lebt. Was wird am Sonntag passieren, wenn es Dovizioso tatsächlich gelingt, den bislang größten Rückstand noch in den WM-Titel umzudrehen? „Bologna würde explodieren. Wenn es wirklich passiert, dann wird es gefährlich“, lacht Tardozzi.

Dreimal konnte ein Pilot den Rückstand im letzten Rennen noch drehen. Das bislang größte Defizit – acht Punkte – wandelte Nicky Hayden 2006 in den WM-Titel um. „Wir wissen, dass die Chance wirklich klein ist. Dennoch werden wir das akzeptieren, weil wir wissen, dass Marc Marquez ein fantastischer Fahrer ist. Er hätte sich den Titel verdient.“ Schließlich übertrifft auch der zweite WM-Platz Ducatis Ziele.

Honda: Wollten Dovizioso fast zurückholen
Doch nicht nur Marquez hat sich den WM-Titel wahrlich verdient, aus dem Honda-Lager heißt es: „Dovi hat sich diese Saison wirklich verdient“, lässt Honda-Manager Livio Suppo aufhorchen. Er kennt den Italiener noch aus dessen Honda-Zeit (2008-2011) und verrät, dass man sogar daran gedacht hatte, ihn zu HRC zurückzuholen: „Im vergangenen Jahr dachten wir darüber nach, ihn zurückzuholen, als die Möglichkeit im Raum stand, dass Dani uns verlässt.“

Doch der schärfste Marquez-Rivale blieb im gegnerischen Stall. „Natürlich sah es im Winter so aus, als würden Yamaha und Maverick unsere stärksten Konkurrenten werden. Aber Schritt für Schritt kristallisierte sich heraus, dass das auf Dovi zutraf. Für uns hat das nichts verändert.“ Auch Suppo will beobachtet haben, dass es bei Dovizioso „klick gemacht“ hat: „Als er sah, dass er auf der gleichen Maschine Jorge schlagen kann, gab ihm das zusätzliches Selbstvertrauen.“

In der kleineren Klasse gewann er den 125er-Titel. In der 250er-Klasse schlug er Lorenzo, als beide Honda fuhren. Dann wechselte der Mallorquiner zu Aprilia und begann, Titel zu gewinnen – und Dovizioso nicht. „In der MotoGP kam Jorge zu Yamaha, als sie sehr stark waren. Andrea bekam zunächst nur eine Satelliten-Honda. Letztlich hat diese Saison ihn darin bestätigt, was er bereits wusste, woran er aber über die Jahre immer weniger glaubte“, zählt Suppo auf und freut sich, ihn so konkurrenzfähig zu sehen.

Schützenhilfe für „Dovi“: Lorenzo hilft, Yamaha nicht
Der angesprochene Jorge Lorenzo könnte auch am Sonntag das Zünglein an der Waage werden. Denn schon in Malaysia tauchte das Wort Teamorder im Ducati-Wortschatz auf. Wird der fünffache Weltmeister Schützenhilfe leisten? „Ja natürlich, das sage ich schon seit Saisonmitte. Es wird schwierig sein, etwas ausrichten zu können. Die Situation gestaltet sich für Marc viel einfacher als für Dovi“, kommentiert Lorenzo die Situation. „Wenn ich in Führung liege, dann werde ich die Boxentafel und die Anzeige checken, weil ich die Wichtigkeit der Weltmeisterschaft verstehe, aber es wird für mich sehr schwierig sein, etwas ausrichten zu können.“

Keine Unterstützung kann Dovizioso aus dem Yamaha-Lager erwarten. „Dovi muss gewinnen, um den Titel zu holen. Aber natürlich wollen wir alle gewinnen. Wir müssen einfach unseren Job machen“, bleibt der WM-Dritte Maverick Vinales unparteiisch. „Ich habe sehr viel Respekt vor beiden Fahrern. Ich denke, beide würden den Sieg verdienen. Aber wir werden unseren Job machen.“

Und Altmeister Valentino Rossi, der 2015 selbst im Saisonfinale den zehnten WM-Titel verloren hat, weiß: „Man kann viel hin und her rechnen, doch der Punkteunterschied ist ziemlich groß. Dovi hat nur eine Chance: Er muss versuchen, zu gewinnen. Marc muss versuchen, es zu kontrollieren“, gibt der „Doktor“ beiden WM-Kontrahenten Tipps mit auf den Weg. Für Ducati wird es so oder so ein erfolgreiches Jahr werden. Denn Teammanager Tardozzi weiß: „Das Wichtigste ist, dass wir im kommenden Jahre wieder bereit sind und mit zwei Piloten um den Titel kämpfen werden.“

Text von Maria Reyer

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