Neben Marcel Schrötter gibt es mit Dominique Aegerter einen zweiten deutschsprachigen Fahrer, der in der Moto2 um Topplatzierungen kämpfen kann.

Während Erstgenannter noch auf sein erstes Podium warten muss, gelang Aegerter bereits im Jahr 2011 der Sprung aufs Treppchen, 2014 konnte er dann sogar seinen ersten Sieg einfahren. Auch im letzten Jahr gelang es dem sympathischen Schweizer im Regenrennen von Misano, sich gegen alle Konkurrenten durchzusetzen, der Sieg wurde ihm nach de Rennen aber aufgrund eines nicht regelkonformen Motoröls aberkannt.

Seither läuft es für Aegerter alles andere als rund. Die Teilnahme an der Saison 2018 konnte erst in letzter Sekunde durch eine Crowdfunding-Aktion gesichert werden, dann kam auch noch Verletzungspech dazu und Domi zog sich beim Enduro-Training einen Bruch der rechten Beckenschaufel zu. Nach guten Ergebnissen bei den Rennen in Argentinien und Texas musste Aegerter die Moto2-Läufe in Jerez (ES) und LeMans (FR) ausfallen lassen. Und auch beim Deutschland Grand Prix bereitete die Verletzung immer noch Probleme, wie der Schweizer berichtet. „Ich spüre es immer noch. Es geht nur ganz langsam vorwärts. Die letzten beiden Rennen habe ich noch ein bisschen Schmerzmittel genommen. Ich habe aber immer nur Tabletten genommen.“

Dominique Aegerter konnte in den Vergangenheit bereits mehrfach aufs Podium fahren, in der Saison 2018 kämpfte er bisher aber mit Problemen abseits der Strecke. Bild: Rainer Friedmann

Aber nicht nur während der Rennwochenenden ist Aegerter noch gehandicapt. Auch das Training fällt aktuell nicht so intensiv aus, wie es eigentlich nötig wäre. „Ich bin wieder jeden Tag ein bis zweimal dran. Natürlich habe ich noch immer Physio für die Hüfte. Ich bin jetzt seit meinem Unfall nicht mehr Motorrad gefahren. Von dem her ist es schon ein bisschen scheiße. Ich kann immer noch nicht springen und joggen. Ich bin kein Motocross, kein Supermotard gefahren. Ich versuch es ein bisschen mit dem Fahrrad und gehe Schwimmen.“

Dabei ist es vor allem das Motorradfahren und das regelmäßige Training mit unterschiedlichen Motorrädern, was in der extrem hohen Leistungsdichte der Moto2 und MotoGP den Unterschied macht. Das weiß natürlich auch der Schweizer. „Man sieht ja, wie die anderen fahren und wie viel das bringt. Die fahren täglich. Die fahren im Winter zwei Monate in Spanien. Ob es mit kleinen Motorrädern ist, mit Fünfzigern, Hundertfünfundzwanzigern, Tausendern, Superbikes, Dirtbikes, Supermotard – wenn man das im Social Media verfolgt, ein Marquez oder ein Vierge, ein Miller, ein Rossi, ein Bagnaia, ein Baldassarri – die fahren alle Tage!“ Wie wichtig dies Fahrtraining ist und wie schnell das Gefühl fürs Zweirad verloren geht, spürte Aegerter bei erstem Training nach seinem Unfall und der anschließenden Zwangspause. „Als ich das erste Mal wieder auf das Motorrad gegangen bin nach zwei Monaten ohne, das war…. Puuuh“, stöhnt Aegerter.

Dabei ist es tatsächlich egal, was man fährt, Hauptsache, man fährt Motorrad, erklärt Aegerter weiter. „Sliden, Bewegen, Augen, Kondition, das Überlegen, was man machen muss, um schneller zu fahren. Die von der Rossi-Akademie fahren alle Tage. Das Risiko dort ist eigentlich riesig. Und natürlich verletzen die sich ab und zu. Auch bei so Rennen, wie ich sie mit dem Rossi gemacht habe – das ist voll der Kampf.“

Dabei ist für Aegerter nicht nur Valentino Rossis Akademie ein extrem wichtiges Projekt, auch Rossis Einstellung zum Fahren und zum Training machen heute den Unterschied zwischen Top-Platzierung und hinterem Mittelfeld, wie Aegerter weiß. „Lüthi ist zwar auch jahrelang kein Motocross gefahren und hat Rennen gewonnen. Aber wie Rossi sagt: „Du musst dich fortbewegen“. Rossi ist früher auch nie so viel gefahren wie jetzt. Früher waren aber auch die Abstände viel, viel größer. Jetzt ist es so eng, du musst über probieren, dich voll vorzubereiten, schon zu Hause. Man sieht es ja. Mit 0,4 Sekunden Rückstand bist du in der Moto2 manchmal auf Platz 20.“

Zu Saisonbeginn sah es noch gut aus und Aegerter zählte zu den Top Ten Fahrern. Ausgebremst durch den Bruch seiner rechten Beckenschaufel kämpft er aktuell aber im hinteren Mittelfeld mit Fahrern wie Jorge Navarro (#9). Bild: Rainer Friedmann

Dabei ist es für Aegerter aktuell alles andere als einfach, sich voll aufs Training und die Vorbereitung zu konzentrieren. Denn nicht nur die Verletzung hindert ihn momentan daran, 100 Prozent zu geben. Die finanzielle Situation stellt immer noch eine Belastung dar und auch die Zukunft ist mehr als ungewiss. Eine Saison in einem guten Team kostet pro Fahrer mindestens 500.000 Euro. Für das Jahr 2018 brachte die Crowdfunding-Aktion, bei der gut 200.000 Euro zusammengekommen sind, die Rettung und der Schweizer ist noch immer von der enormen Teilnahme überwältigt:

„Für mich war eine riesen Überraschung, dass Kollegen oder Kolleginnen einfach so 1000 Franken, 500 Franken einbezahlt haben, die einen normalen Lohn von 4000 Franken oder so haben. Das ist schon ziemlich groß. Aber ich habe natürlich auch viel an die Fans zurückgegeben und ich hatte sehr viel Arbeit mit Autogramme schreiben, mit Fotos machen, mit Videos machen, mit gemeinsamen Kartfahren, Bier Degustationen, Wein, Fitness, Nachtessen – es gab richtig viele Angebote. Und da bin ich auch nahe bei den Fans, denke ich. Da haben sehr viele Fans auch gesagt „Cooler Typ, den wollen wir nicht hängen lassen“.

Geholfen hat hierbei sicher auch die andere Wahrnehmung des Motorradrennsports in der Schweiz. Während deutsche Rennfahrer ein mediales Schattendasein fristen und in den großen Medien praktisch nicht präsent sind, verhält sich das in der Schweiz anders. Hier wird das Thema auch regelmäßig von Tageszeitungen und Fernsehsendern aufgenommen und Aegerter zählt hier zu den bekannten Einzelsportlern. Der Schweizer ist sich aber bewusst, dass sich dieser Erfolg bei einer weiteren Crowdfunding-Runde nicht wiederholen lassen wird.

„Das kann man schon wiederholen, aber dann wirst Du vielleicht 50.000 Euro zusammenbringen. Aber ich will so auch gar keine weitere Saison machen. Ich will irgendwo angestellt sein und meinen Lohn bekommen und fertig. Vielleicht noch ein, zwei Sponsoren bringen, wo vielleicht auf das Motorrad wollen. So wie diese Saison hat das keinen Sinn. Da kann ich gleich zu Hause bleiben. Es macht keinen Sinn, wenn ich mich nicht hundertprozentig auf das Motorradfahren konzentrieren kann. Was will ich, wenn ich nicht mal in die Punkte Fahren kann, oder nur mit Glück?! Das liegt dann im Kopf. Wenn ich nächstes Jahr noch mal alles organisieren muss, sind wir wieder am gleichen Punkt. Tests, neue Teile, Fahrtraining, Kevin (Anm. d. Red.: Kevin Aegerter, Bruder und Manager von Dominique), das kostet ein bisschen. Wer zahlt die Mama? Die wollen auch Leben. Die schaffen nicht alle gratis. Die Mama schafft hundertprozentig für mich. Und ich habe keinen Lohn. Ich fahre für nichts.“

Aegerter ist in diesem Jahr sicher in einer extremen Situation, eine schwierige Finanzlage der Piloten stellt in der Moto2 aber eher die Regel denn die Ausnahme dar. Dominiques Antwort auf die Frage, wie viele der Fahrer im Moto2-Paddock tatsächlich beim Team angestellt sind und auch bezahlt werden, fällt entsprechend gering aus. „Das sind 10 oder 15 vielleicht, die ein bisschen etwas haben. Die anderen haben vielleicht einen Privatsponsor, von dem sie ein bisschen was bekommen. Die werden sicher schon ein bisschen was verdienen. Sonst kannst Du nicht Leben und Trainieren und das Zeug alles.“

Für 2019 wird sich die Situation vermutlich nach verschärfen, denn die fürs kommende Jahr geplanten Änderungen in der Moto2 werden Teams und Fahrer vor weitere finanzielle Herausforderungen stellen. Mit den neuen Triebwerken von Triumph wird auch die Einheits-Elektronik von Magneti Marelli mit Traktionskontrolle Einzug halten, was einen weiteren Techniker im Team nötig macht. Rechnet man hier alle entstehenden Kosten wie Gehalt, Verpflegung und Reisekosten zusammen, kommt man schnell auf eine Mehrbelastung von 200-300.000 Euro.

Dessen ist sich auch Dominique bewusst und steht den Neuerungen zwiegespalten gegenüber: „Mehr Leistung ist sicher cool. Was ich weniger cool finde, ist die Elektronik. Für ein Team mit wenig Budget ist es nicht möglich, das wirklich gut abzustimmen.“

Und das Kiefer Racing Team muss schon jetzt auf das Budget schauen, wenn es um Materialanschaffungen geht. Theoretisch werden Neuentwicklungen des Rahmenherstellers KTM schnell auch an die Kundenteams weitergegeben, der Zugang ist aber aufgrund der Kosten beschränkt, wie Dominique Aegerter erklärt: „Ich habe das Chassis und das Motorrad vom letzten Jahr – wegen Budgetgründen. Das Werksteam bekommt immer zuerst die neuen Teile. Wenn wir die auch wollen, müssen wir die kaufen. Aber wir müssen zuerst mit dem schnell fahren, was wir haben (lacht).“

Die KTM des Kiefer Racing Teams basiert auf dem Modell der Saison 2017. Aegerter kommt mit dem Material aber gut zurecht. Bild: Rainer Friedmann

Grundsätzlich kommt Dominique aber gut mit dem Material klar und findet auch lobende Worte für KTM: „Man hat letztes Jahr gesehen, KTM das erste Jahr dabei und schon ziemlich viele gute Rennen und schon gewonnen. Dieses Jahr ist für mich ein bisschen schwieriger, weil wir nicht so viel im Winter gefahren sind. Ein Werk wie KTM ist da ja auch voll dahinter, die haben ein MotoGP Projekt und Moto3, die haben super Erfahrung und ich habe auch Unterstützung.“

Auch wenn die Umstände aktuell widrig sind – Auf die Frage, ob ein Wechsel in die Superbike oder Supersport-WM, wie ihn Sandro Cortese vollzogen hat, eine Option wäre, ist Aegerters Antwort eindeutig: „Das interessiert mich nicht. Das kann ich machen, wenn ich 35 bin. Jetzt ist das Ziel, Moto2 zu fahren.“

 

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