Fabio Di Giannantonio - © Motorsport Images

© Motorsport Images – Fabio Di Giannantonio bejubelt seinen ersten MotoGP-Sieg

(Motorsport-Total.com) – Aktuell ohne Job für 2024, aber kurz vor Ende der Saison 2023 noch den ersten MotoGP-Sieg sichergestellt: Was Fabio Di Giannantonio am Sonntag im Grand Prix von Katar auf dem Lusail International Circuit gelungen ist, das wird er so schnell nicht vergessen.

Nachdem „Diggia“ am Samstag sowohl im Qualifying als auch im Sprint den zweiten Platz belegt hatte, setzte er im Grand Prix am Sonntag ausgerechnet im Zweikampf mit WM-Spitzenreiter Francesco „Pecco“ Bagnaia noch einen drauf.

Mit seiner Gresini-Ducati der Vorjahresspezifikation GP22 blies Di Giannantonio in der Schlussphase des Rennens zur Attacke auf Bagnaia auf der aktuellen Werks-Ducati. Er überholte den WM-Leader dreieinhalb Runden vor Schluss und hatte wenige Minuten später seinen ersten MotoGP-Sieg in der Tasche.

Kurz vor dem entscheidenden Überholmanöver an Bagnaia wurde Di Giannantonio auf dem Display seiner Gresini-Ducati die Nachricht „Mapping 8“ eingeblendet. War es eine Ducati-Stallorder? Vielerorts wurden direkt Erinnerungen wach an den Grand Prix von Malaysia 2017.

Damals, im Oktober 2017 in Sepang, erhielt Ducati-Werkspilot Jorge Lorenzo die Nachricht „Mapping 8“ und damals bedeutete die, dass er seinen führenden Teamkollegen Andrea Dovizioso, der um den WM-Titel kämpfte, nicht mehr überholen durfte. Diesmal war die Bedeutung der Nachricht eine andere, wie Di Giannantonio nach seinem Sieg über Bagnaia verrät.

Was „Mapping 8“ für Di Giannantonio bedeutete
„Mapping 8 war für mich einfach das Signal, anzugreifen“, sagt Di Giannantonio und erklärt die Taktik im Gresini-Team: „Wir hatten das Rennen ganz genau durchgeplant. Ich musste gut starten. Ich musste nach der ersten Runde in einer bestimmten Position sein. Ich musste bei Mitte des Rennens auf den Reifen aufpassen. Und dann würde ich im richtigen Moment ein Signal bekommen. Wenn das Signal kommt, dann ist es Zeit, anzugreifen.“

„Das war ein gutes Signal“, bekennt Di Giannantonio. „Denn meine Boxentafel konnte ich nicht sehen. Es wurden da so viele Boxentafeln gezeigt, dass ich meine gar nicht sehen konnte. Daher wusste ich auch gar nicht, wie viele Runden noch zu fahren waren.“

„Als ich dann Mapping 8 [auf dem Display] sah, wurde mir klar, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist. Weil es ausgerechnet ‚Pecco‘ war, den ich vor mir hatte, musste ich natürlich ein bisschen aufpassen. Ich habe also versucht, das Überholmanöver so sauber wie möglich zu setzen“, erinnert sich Di Giannantonio.

In Kurve 12 der 19. von 22 Runden war es soweit. Mit seiner hellblauen Gresini-Ducati drückte sich „Diggia“ innen an der roten Werks-Ducati von Bagnaia vorbei und damit in Führung. „Für einen kurzen Moment tat er mir leid, weil ich ihm damit ein paar Punkte klaue. Aber schließlich sah ich für mich die Chance auf meinen ersten Sieg“, erinnert sich Di Giannantonio und sagt: „Ich hoffe doch, dass das Manöver ein sauberes war.“

Die Entscheidung in diesem Zweikampf war es noch nicht. Aber die Entscheidung fiel gleich eine halbe Runde nach dem Überholmanöver. Beim Anbremsen von Kurve 1 nämlich wurde Bagnaias Ducati im Windschatten von Di Giannantonios Gresini-Ducati angesaugt. Um ein Haar wäre es zum Zusammenstoß der beiden gekommen.

Mit viel Glück konnte Bagnaia einen Crash gerade so vermeiden. Weil er aber einen weiten Bogen durch die asphaltierte Auslaufzone fahren musste, war an eine Schlussattacke auf Di Giannantonio für ihn nicht mehr zu denken. So war es „Diggia“, der mit 2,7 Sekunden Vorsprung als Erster ins Ziel kam.

„Ich fühle mich entspannt. Das liegt aber auch daran, weil ich noch gar nicht richtig verstanden habe, was passiert ist“, gibt Di Giannantonio als der neueste MotoGP-Rennsieger zu. Der erste Sieg ist ihm nun im vorletzten Rennen seiner zweiten Saison in der Königsklasse gelungen. Bis dahin war es für ihn ein nicht immer einfacher Weg.

Di Giannantonios erste und bislang einzige Pole ist ihm zwar direkt im achten Anlauf, in Mugello 2022, gelungen. Diese Errungenschaft hing damals aber nicht zuletzt mit den Witterungsbedingungen zusammen.

Bis zu seinem ersten Sieg in der Königsklasse musste sich „Diggia“ fast zwei volle Jahre – in Grands Prix ausgedrückt deren 38 – gedulden. Auf diesem Weg ist er sich immer treu geblieben, auch und gerade, als klar wurde, dass er bei Gresini-Ducati keine dritte MotoGP-Saison bekommt.

„Unschöne“ Malaysia-Entwicklung setzte neue Kräfte frei
„Ich finde es schade, dass viele Leute denken, Selbstvertrauen wäre eine Art Arroganz. Das ist es aber nicht. Es ist einfach so, dass du mit Selbstvertrauen noch dieses kleine gewisse Etwas mehr schaffen kannst. Ich bin jemand, der sein Selbstvertrauen Schritt für Schritt aufbaut, indem ich mich steigere, verbessere, lerne“, sagt der 25-jährige Italiener.

„Als ich hier angereist bin, hatte ich es so im Gefühl, dass ich jetzt an dem Punkt angekommen bin, an dem ich ein einigermaßen kompletter Rennfahrer bin. Es ist Zeit für den nächsten Schritt. Und genau dieser Schritt ist uns hier gelungen“, freut sich Di Giannantonio und verrät nach seinem erlösenden ersten MotoGP-Sieg noch ein Geheimnis.

„Nach dem Malaysia-Wochenende ist bezogen auf meine Zukunft etwas passiert, nichts Schönes“, sagt er. Damit spricht Di Giannantonio auf die für ihn für 2024 zugefallenen Türen an. „Zu Hause habe ich dann zu meinen engsten Freunden und zu meiner Familie gesagt, dass ich in Katar gewinnen werde.“

Der Ratschlag, den „Diggia“ daraufhin aus dem Freundes- und Familienkreis bekam? „Sie sagten mir: ‚Fabio, erzähl das bloß nicht rum. Fliege einfach dorthin und mache deine Arbeit. Denn wenn du es ausplauderst, dann geht all die Energie verloren.‘ Daraufhin habe ich geantwortet: ‚Keine Sorge. Ich erzähle das jetzt nur euch, dass ich gewinnen werde.'“

Kommt der erste MotoGP-Sieg für „Diggia“ zu spät?
Erste Top-5-Platzierung Ende September in Indien, erster Podestplatz Mitte Oktober in Australien, erster Sieg Mitte November in Katar: Die Fortschritte, die Di Giannantonio in der zweiten Hälfte seiner zweiten MotoGP-Saison gelungen sind, die sind auch seinem Gresini-Teamkollegen nicht verborgen geblieben.

Alex Marquez hat seine eigene Theorie dafür, dass „Diggia“ zuletzt mit ihm selber nicht nur mehrmals mithalten konnte, sondern ihn sogar mehrfach hinter sich gelassen hat: „Vielleicht liegt es daran, dass er im Moment keinen Vertrag hat. Wenn du dich in dieser Situation befindest, dann gehst du die Rennwochenenden anders an.“

„Vielleicht ist es bei ihm ja so, dass ihm diese Situation hilft, entschlossener, aggressiver und konzentrierter zu sein“, so Alex Marquez weiter. Und in diesem Zusammenhang stellt der Spanier über seinen Teamkollegen noch heraus.

„Er hat nicht nur seine eigene Performance gesteigert. Er damit das gesamte Team auf ein höheres Level gehoben“, sagt der junge Marquez über Di Giannantonio. „Dass ich selber jetzt fahre wie ich fahre, das ist ein Stück weit auch sein Verdienst. Ich freue mich wirklich sehr für ihn. Die Frage ist nur, ob [der Sieg] für ihn nicht zu spät kommt.“

Und was sagt Marc Marquez dazu? Schließlich ist der ältere der beiden Marquez-Brüder genau derjenige Fahrer, der für die MotoGP-Saison 2024 den Platz von Di Giannantonio im Gresini-Team übernimmt.

„Ich gratuliere ihm. Er holt genau dann, wenn er es am dringendsten braucht, das Beste aus sich heraus“, so Marc Marquez über „Diggia“ und weiter: „Talent hat er. Aber wie die Vergangenheit der Weltmeisterschaft schon häufiger gezeigt hat, ist es neben Talent manchmal mindestens genauso wichtig, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.“

Ob sich für Di Giannantonio mit seinem ersten MotoGP-Sieg doch noch eine unerwartete Tür für 2024 (oder später) öffnet, das werden die kommenden Tage und Wochen zeigen.

Text von Mario Fritzsche, Co-Autor: German Garcia Casanova

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