Fabio Quartararo - © LAT

© LAT – Für einen MotoGP-Aufstieg war Quartararo erst nicht der offensichtlichste Kandidat

(Motorsport-Total.com) – Drei Pole-Positions, zwei schnellste Rennrunden, zwei Podestplätze: Die Zwischenbilanz von MotoGP-Rookie Fabio Quartararo kann sich wahrlich sehen lassen.

Dass ein Neuling in der Königsklasse für so viel Aufruhr sorgte, war zuletzt bei seinem französischen Landsmann Johann Zarco 2017 der Fall. Dabei war Quartararo gewissermaßen nur zweite oder dritte Wahl.

Denn für einen MotoGP-Aufstieg drängte sich der junge Franzose mit nur einem Moto2-Sieg 2018 und WM-Platz zehn nicht unbedingt auf. „Normalerweise schauen wir uns die Moto2 an, angefangen beim Besten“, erklärt Quartararos Crew-Chief bei Petronas-Yamaha, Diego Gubellin, den italienischen Kollegen von ‚GPOne.com‘. „Das war im vergangenen Jahr Bagnaia.“

Allerdings hatte der Italiener bereits bei Pramac-Ducati unterzeichnet. „Gleiches galt für Oliveira bei KTM, während Binder sich entschieden hatte, in der Moto2 zu bleiben. Fabio war aus diesem Grund eine glaubwürdige Alternative, denn er war jung und talentiert“, so Gubellini weiter. Er selbst lernte den Rookie erst vor einem Jahr am Sachsenring kennen.

Crew-Chief zieht Vergleich zu Casey Stoner
„Ich mochte, dass er dieser Herausforderung mit viel Demut begegnete. Diese Qualität erlebt man nicht oft bei einem so jungen Kerl“, erinnert sich Gubellini an damals. Überhaupt zeigt er sich von Quartararos Arbeitsweise ob seines jungen Alters beeindruckt. Sein Umgang mit Problemen und Rückschlägen imponiert dem Crew-Chief des MotoGP-Rookies.

„Er ist ein Fahrer, der sich Problemen stellt. Er sucht die Lösung nicht in der Abstimmung oder den Reifen. Die erste Frage, die er sich stellt, ist: Was kann ich tun, um stärker zu werden?“ Dabei hat Quartararo mit den Ergebnissen, die er bereits in der ersten Saisonhälfte erzielen konnte, sich selbst und sein Yamaha-Kundenteam gleichermaßen überrascht.

Gubellini zieht einen Vergleich: „Seine MotoGP-Geschichte erinnert an die von Stoner, der in die Königsklasse eingeschlagen hat wie eine Bombe.“ Als Casey Stoner 2006 in die MotoGP kam, fuhr er bei seinem zweiten Grand Prix auf die Pole-Position, ein Rennen später wurde er Zweiter. Der Australier pilotierte damals eine Kunden-Honda im Team von LCR.

Yamaha das einfachste Bike für Rookies?
Quartararo hingegen ist auf einer Yamaha unterwegs, dem vermeintlich „einfachsten“ Motorrad für einen Rookie. Doch dem widerspricht sein Crew-Chief: „Das ist nicht komplett richtig“, sagt er. Zwar sei die erste Annäherung mit dem Motorrad aufgrund seiner guten Balance „weniger kompliziert als bei anderen Marken“, aber trotzdem längst kein Selbstläufer.

„Es ist leicht, ein bestimmtes Level zu erreichen“, erklärt Gubellini. „Ich würde sagen, in die Nähe der Top 10 zu kommen. Ein talentierter Fahrer erreicht diesen Punkt, ohne seinen Stil zu verändern. Aber auf die Pole-Position zu fahren oder aufs Podium ist sehr schwierig. Die M1 ist insofern einfach, als dass sie dir eine Basis garantiert, die funktioniert.“

Angesichts dessen fiel die Zielstellung für Quartararo zunächst deutlich bescheidener aus. „Das ursprüngliche Ziel war, die ersten drei Rennen ruhig anzugehen, die Top 12 zu erreichen und ab Jerez konstant in die Top 10 zu fahren. Vielleicht hat er mich da falsch verstanden“, schmunzelt Gubellini. Schon mit P7/8 in Argentinien und Texas sei man glücklich gewesen.

Warum Quartararo seit Jerez so stark ist
„Dann, als wir nach Europa kamen, explodierte er förmlich“, erinnert sich Quartararos Betreuer. Wie erklärt er sich diese Explosion? „Für einen Rookie ist es wichtig, auf Strecken zu fahren, die er gut kennt, denn sie erlauben ihm, einen gewissen Automatismus zu erlangen. Er kann sich mehr aufs Fahren konzentrieren und die Eigenheiten der MotoGP lernen.“

Dinge wie das Management der Reifen und den Umgang mit der Hinterradbremse, erklärt Gubellini. „Hat man das einmal gelernt, wird es zur Routine auf allen Strecken. Deshalb war er ab Jerez so stark.“ Angesprochen auf mögliche Schwächen seines Schützlings sagt er: „Fabio entdeckt gerade seinen wahren Wert und in diesem Sinne gibt es noch viel zu tun.“

„Körperlich ist er sehr gut vorbereitet, aber er hat noch nicht die Struktur oder Widerstandskraft, die er in fünf Jahren haben wird. Er wird sich mit der Zeit ganz sicher steigern. Ihm fehlt Erfahrung, aber er ist scharfsinnig und lernt schnell. Ich sehe keine negativen Aspekte, aber viel Raum für Verbesserung, auch wenn er bereits auf einem sehr hohen Niveau ist.“

Werks- vs. Kundenteam: Die Unterschiede
Damit forderte Quartararo auf manchen Strecken sogar die Yamaha-Werkspiloten hinaus, wie es zuvor auch schon Zarco tat, als noch Tech 3 das Kundenteam war. Doch Gubellini würde das nicht überbewerten. „Das hängt sicherlich mit der Entwicklung zusammen“, erklärt er. „Das Werksteam probiert während eines Wochenendes bestimmte Details aus.“

„Diese Zeit könnte auch in die Arbeit am Set-up oder mit den Reifen investiert werden. Ich weiß nicht, was ich noch dazu sagen soll, aber bisher waren die Werksyamahas immer vorne dabei. Valentino hatte mehr Probleme während der Trainingssessions, war im Rennen dann aber immer besser. Und Vinales hatte nur Probleme im ersten Teil des Rennens.“

Abschließend mahnt Gubellini deshalb: „Wenn es um die reine Performance geht, ist es schwer zu sagen, dass die Kundenyamahas stärker sind. Man muss die Details betrachten.“ Für seinen Schützling Quartararo hofft er natürlich, dass dieser seine Form halten kann, auch wenn er betont: „Ein zehnter Platz wäre immer noch ein positives Ergebnis.“

Text von Juliane Ziegengeist

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